Seminar des Konfuzius-Instituts an der Freien Universität Berlin
4. März 2025
Bei der Vielzahl von China-Veranstaltungen kann hier nicht von jeder berichtet werden. Doch zu dem Hybridseminar „Aktuelle Entwicklungen der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen“, das vom Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin am 3. März veranstaltet wurde, hier ein kurzer Bericht, da das Seminar sich durch zwei Punkte auszeichnete:
- Es wurden viele Fakten und aktuelle Zahlen präsentiert. Sie bilden für viele Fragen zum Stand und den Strukturen der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen eine gute Grundlage.
- Hier wurde nicht nur aus deutscher Sicht über China gesprochen. Beide Referenten stammen aus China, leben jedoch in zwei Welten und konnten die Veranstaltung in einwandfreiem Deutsch halten. Die Referenten leben und kennen beide Seiten.
Erfahrungen aus zwei Welten
Prof. Dr. Shiwei Shi stellte zunächst die Grundlagen vor, auf denen die Wirtschaftsbeziehungen aus deutscher Sicht basieren. Das bilaterale Verhältnis zwischen Deutschland und China ist von dynamischen wirtschaftlichen Entwicklungen, geopolitischen Veränderungen und neuen Herausforderungen geprägt. Besonders hervorzuheben ist das Konzept „De-Risking“, das jedoch nicht gleichbedeutend mit „De-Copeling“ ist. De-Risking unterstreicht auch die hohe Bedeutung der bilateralen Beziehungen. Die Wirtschaftsbeziehungen sollen weiter ausgebaut vertieft und sicherer werden.
Neue Herausforderungen für bilaterale Wirtschaftsbeziehungen entstanden durch neue große globale Herausforderungen . Die Coronapandemie, die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Geopolitik und jüngst die Abkoppelung der USA durch die Politik des neuen US-Präsidenten stellt gut eingespielte Wirtschaftsbeziehungen auf die Probe.
Obwohl sich das politische Umfeld stark gewandelt hat, werden die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen aufgrund ihrer jahrzehntelangen erfolgreichen Kooperationen und engen Verflechtung der Produktion- und Lieferketten fortbestehen und werden in manchen Branchen weiterentwickelt und vertieft, prognostizierte Shi. Der Riesenmarkt Chinas bleibt für deutsche Unternehmen trotz zunehmender einheimischer Konkurrenz attraktiv. Für chinesische Unternehmen bietet es sich an, ihre Investitionen in Deutschland – insbesondere durch Greenfield-Investitionen – auszubauen. Dies schafft Arbeitsplätze und wird von der Politik unterstützt.
Öffnung versus Abschottung
Während die USA auf Abschottung setzt, öffnet China sich immer mehr. Das Land passt sich an international gängige Regeln, Normen und Standards an und die Öffnung der Wirtschaft geht immer weiter. Zu den Verbesserungen der Marktzugangsbedingungen für ausländische Investoren gehört die Reduzierung der Negativliste der beschränkten Bereiche für ausländische Investitionen von 31 auf 29 im Vergleich zum Vorjahr. Für verarbeitende Gewerbe gibt es gar keine Beschränkungen mehr. Mit einem deutschen Pass kann man jetzt 30 Tage nach China ohne Visa einreisen.
Bei den Direktinvestitionen zeigt sich ein ambivalentes Bild: Deutsche Unternehmen haben ihre Investitionen in China auf Rekordhöhen gesteigert. Im Gegensatz dazu sind chinesische Direktinvestitionen in Deutschland in den letzten drei Jahren kontinuierlich gesunken. Vor allem sind Übernahmen drastisch zurückgegangen. Dies kann auf die Verschärfung der Investitionskontrolle durch die deutsche Regierung zurückgeführt werden.
Viele deutsche Unternehmen erkennen zwar die Überlegungen der Regierung zur Risikominimierung an, reagieren darauf aber mit der Strategie „China+“, nämlich Diversifizierung von Lieferketten und Märkten. Laut der Geschäftsklimaumfrage 2023/2024 der Deutschen Handelskammer in China planen 94 Prozent der befragten deutschen Unternehmen, weiterhin in China tätig zu bleiben, während 44 Prozent von denen bereits „De-Risking“-Maßnahmen ergriffen haben, meist durch Diversifizierung in anderen asiatischen Ländern.
Chancen für intensivere und bessere Kooperationen nutzen
Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Schwäche Deutschlands sowie der Drohung der Trump-Administration mit Zöllen gegen EU-Importe scheint die restriktive Haltung gegenüber China etwas nachzulassen. So hat die EU die Umsetzung ihrer Lieferkettenrichtlinie auf 2028 verschoben und verhandelt mit China eine alternative Lösung für die bereits verhängten Strafzölle.
Ob diverse industriepolitische Programme der EU und Deutschlands die Wettbewerbsfähigkeiten gegenüber China steigern, muss man noch abwarten. Jedenfalls stehen Politik und Wirtschaft in Deutschland angesichts der ordoliberalen Tradition den staatlichen Eingriffen skeptisch gegenüber. Ferner fehlt der EU wegen des geringeren Budgetrahmens auch die entsprechende Finanzierungskraft, schlussfolgert Shi.
Vertrauen und Kommunikation
Vertrauen und Kommunikation sind die Grundlage für gute Geschäftsbeziehungen, berichtet Xing Wang, Generalsekretär der Chinesischen Handelskammer in Deutschland, aus seinen praktischen Erfahrungen. Im Grunde genommen machen chinesische Unternehmen das gleiche, wie deutsche Firmen, die vor einigen Jahrzehnten nach China gingen und haben gleiche Probleme wie damals deutsche Unternehmen bei ihrem Markteinstieg in China. So haben jetzt Unternehmen aus China oft Schwierigkeiten den Markt richtig einzuschätzen oder die besonderen Management-Methoden in deutschen Unternehmen zu kennen. Bei diesen Fragen hilft die Kammer.
Zum Aufbau dieser Geschäfte sind Kooperationen mit deutschen Unternehmen hilfreich. Dafür gibt es viele Erfolgsbeispiele. Chinesische Unternehmen in Deutschland verfolgen das Ziel, durch Innovation, Kooperation und nachhaltige Entwicklung gemeinsame Fortschritte zu erzielen. Im Fokus stehen verantwortungsbewusstes Wirtschaften, langfristige Partnerschaften und ein beiderseitiger Wissens- sowie Technologietransfer, um nachhaltiges Wachstum und gegenseitigen Erfolg zu fördern, fasst Wang die Ziele chinesischer Unternehmen zusammen.
Zukunft gemeinsam gestalten
Deutschland und die Welt stehen vor neuen Herausforderungen. Die deutsch- chinesische Wirtschaftskooperation ist bislang eine Win-win-Situation. Mit mehr Öffnung auf beiden Seiten lässt sich auch die Wachstumsschwäche in Deutschland angehen und der deutschen Wirtschaft einen technologischen Schub geben. Vertrauen und Kommunikation, verlässliche Daten und Analysen sind dafür notwendig.
ASIA MEDIA SERVICE, Dr. Thomas Kiefer
Prof. Dr. Shiwei Shi ist Professor für Internationale Wirtschaft der University of International Business and Economics, Beijing, freiberuflicher Dozent und China-Forscher und -Berater der bbw Hochschule Berlin und war langjährig Gastwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Zu den aktuellen Schwerpunkten seiner Forschung gehören Reform und Öffnung der chinesischen Wirtschaft, Innovationskapazität und -politik Chinas sowie chinesisch-europäische bzw. chinesisch-deutsche Wirtschaftskooperationen.
Xing Wang ist Generalsekretär der Chinesischen Handelskammer in Deutschland und verfügt über 20 Jahre Erfahrung in Europa mit Fokus auf Wirtschaft und Management, insbesondere in Joint Ventures und Verhandlungen zwischen chinesischen und deutschen Unternehmen. Er leitete internationale Projekte, u.a. zur globalen Lieferkette für Bosch und Daimler-Benz, und war an der Gründung und dem Betrieb des China Cultural Center in Athen beteiligt. Zudem hat er mehrjährige Lehrerfahrung in interkultureller Kommunikation und Wirtschaftsmanagement an Hochschulen in China und Deutschland.
Links
Aktuelle Entwicklungen der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen
University of International Business and Economics, Beijing
Chinesischen Handelskammer in Deutschland
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