Arktische Seidenstraße
Neue Container-Expressroute von China nach Europa

14. Oktober 2025

Schneller, kostengünstiger und hohe CO2-Einsparung / Sicherung der Lieferketten

Am Abend des 13. Oktober erreichte das Frachtschiff „Istanbul Bridge“, das am 23. September vom Hafen Ningbo-Zhoushan aufgebrochen war und mit über 1.000 Standardcontainer beladen ist, über die Arktisroute erfolgreich den Hafen von Felixstowe, den größten Containerhafen Großbritanniens. Damit wurde die weltweit erste arktische Container-Expressroute zwischen China und Europa erfolgreich eröffnet berichtet CCTV. Aktuell ist der Frachter von Felixstowe auf dem Weg nach Hamburg, wo er am Freitagmorgen eintreffen soll.

Mit dem 300 Meter langen Frachter „Istanbul Bridge“ eröffnet die chinesische Reederei Haijie eine lang erwartete regelmäßige schnelle Containerlinie nach Europa. Die Premierenfahrt ist seit Monaten ausgebucht. Sie führte entlang der Küste Sibiriens auf einer direkten Linie nach Europa. Damit sinkt die Transitzeit des Schiffsverkehrs zwischen China und Europa auf nur 18 Tage. Bisher brauchte man bis zu 28 Tage via Suezkanal, oder sogar 50 Tage rund um das südafrikanische Kap der Guten Hoffnung. Selbst die Eisenbahn braucht mit 25 Tagen länger als die neue Schiffslinie.

Die Istanbul Bridge legte bis nach Großbritannien 7500 Seemeilen (13.900 Kilometer) zurück. Zum Vergleich: Die übliche Reise durch den Suezkanal umfasst 11.000 Seemeilen (20.400 Kilometer). Im Vergleich zur Suezkanalroute reduziert sie zudem die CO2-Emissionen um 30 Prozent und ermöglicht den Ländern und Unternehmen entlang der Route eine umweltfreundliche, schnelle, kostengünstige und sichere Lieferkette.

Derzeit wird die Route saisonabhängig sein, bis Containerschiffe mit hoher Eisklasse das Fahrzeitfenster auf den Winter und Frühling ausweiten können. Das Containerschiff Istanbul Bridge der niedrigen Eisklasse verfügt über eine Kapazität von 4.890 Standardcontainern (TEU), was nach heutigen Maßstäben für den Suez- und Panamakanal zwar wenig ist, für den noch jungen Arktisdienst jedoch eine beachtliche Größe darstellt.

„Ich glaube, diese Arktisroute ist ein höchst innovativer Versuch in der Geschichte der globalen Containerschifffahrt. Sie führt durch Qingdao, Dalian, Fuqing, Shanghai und Ningbo in China und erreicht über die Arktisroute den Hafen von Felixstowe in Großbritannien, den Hafen von Rotterdam in den Niederlanden, den Hafen von Hamburg in Deutschland und den Hafen von Danzig in Polen,“ so Haijie-CEO Fang Yi.

Sicherheit vor Geschwindigkeitsrekord

Doch noch ist diese neue Route eine Herausforderung. „Die ursprünglich geplante Fahrzeit betrug 18 Tage, aber wir fuhren sehr ruhig, reibungslos und schafften die Arktisroute in weniger als 15 Tagen. Nach dem Verlassen der Arktisroute in der Norwegischen See gerieten wir jedoch in Schwierigkeiten. Aus Sicherheitsgründen für Besatzung, Schiff und Ladung reduzierten wir unsere Geschwindigkeit, sodass wir Großbritannien erst nach 20 Tagen erreichten.

Das ist wirklich die schnellste Zeit in der Geschichte der Containerschifffahrt und eine Zeitersparnis von etwa 15 bis 20 Tagen im Vergleich zur aktuellen Route am Kap der Guten Hoffnung und dem traditionellen Suezkanal. Diese Arktisroute ist meiner Meinung nach ein höchst innovatives Unterfangen in der Geschichte der globalen Containerschifffahrt,“ erklärte Fang Yi nach der Ankunft in Großbritannien.

Jahrhundertelanger Traum

Das durch den Klimawandel schmelzende Polareis macht Routen frei, die jahrhundertelang gesucht wurden. Schon Seefahrer des 16. Jahrhunderts wollten die Arktis durchqueren um den gefährlichen langen Umweg um Afrika zu vermeiden. Der englische Seefahrer Martin Frobisher unternahm bereits zwischen 1576 und 1578 Expeditionen nach Nordkanada, um eine Nordwestpassage zu finden. Trotz harter Winter, Eisbergen und Blockaden kehrte er jeweils zurück. Sir John Franklin dagegen verschwand 1845 mit zwei Schiffen und 129 Mann unauffindbar im Packeis.

Eisfelder, unberechenbare Strömungen und extreme Kälte machten jede Durchfahrt gefährlich. Expeditionsschiffe sanken, Crews starben an Hunger, Frost oder Skorbut. Doch seit einigen Jahren gibt es einzelne Schiffsverbindungen von China, aber auch nach Süd-Korea über die Polarroute nach Europa. Jetzt wurde der erste regelmäßige Lieferdienst in Betrieb genommen.

Heute hingegen öffnen schmelzende Meereisflächen die Arktis für moderne Containerschiffe. Dadurch wird aus einem jahrhundertealten Traum eine funktionierende Handelsroute zwischen China und Europa. Laut Klimaforschern hat die Arktis in den vergangenen Jahrzehnten drei Viertel ihres sommerlichen Eises verloren. Derzeit sei die Eisdecke so dünn wie nie zuvor. Wochenlang seien weite Teile eisfrei. Das eröffnet Chancen für eine dauerhafte wirtschaftliche Nutzung.

Modernste Technik

Nicht nur der Klimawandel treibt die Entwicklung. Auch Technik und Logistik haben einen Quantensprung gemacht. Satellitengestützte Systeme überwachen Meereis und Wetter in Echtzeit. Sie werden direkt aus Peking vom chinesischen Verkehrsministerium und dem Meteorologischen Observatorium des Tianjin Marine Centers unterstützt. Dazu kommen neue Schiffsbauten mit verstärkten Rümpfen.

Jahrlange Vorbereitung und intensive Personalschulung

Doch ist die Passage eine Herausforderung. Mannschaften und Kapitäne müssen mit unvorhersehbaren Situationen umgehen und sich in sensible ökologische Eismeerwelt zurechtfinden. Dazu sind lange Schulungen erforderlich. „Zur Vorbereitung dieses kommerziellen Einsatzes haben wir vor drei Jahren mit umfassenden Schulungen des Personals, der Modernisierung der Ausrüstung und dem Erwerb relevanter Kenntnisse und Technologien für die Route begonnen. Dies stellt einen erheblichen Aufwand an Vorarbeit dar. Für diese Reise haben wir außerdem sorgfältig ein relativ optimales Zeitfenster innerhalb des gesamten schiffbaren Gebiets ausgewählt. Daher sind wir unabhängig und ohne den Einsatz eines Eisbrechers durch die arktischen Gewässer gefahren“, berichtet Sealegend-COO Li Xiaobin.

„Der Probebetrieb dieser Route hat große Unterstützung von allen chinesischen Häfen und Terminals sowie von Häfen und Terminals in Großbritannien, den Niederlanden, Deutschland und Polen in Europa erhalten, die großes Interesse zeigen. Ich glaube, dies ist eine neue Schifffahrtsroute, ein neuer Versuch und eine neue Herausforderung für alle Logistikexperten. In Zukunft werden sich sicherlich weitere Unternehmen, darunter auch unsere Häfen, an der Entwicklung dieser Schifffahrtsroute beteiligen,“ so Li Xiaobin.

Sicherung der Lieferketten

Die Route soll chinesischen und europäischen Unternehmen helfen, „globale Handelsunsicherheiten zu bewältigen“, erklärte ein Sprecher des Hafen Ningbo-Zhoushan laut der „Global Times“. Li Xiaobin, Chief Operating Officer von Sea Legend, betonte die Vorteile der neuen Route: „Die Polar-Expressroute ist kürzer, hocheffizient und verbessert die Lieferzeiten deutlich. Gleichzeitig senkt sie Kosten und beschleunigt die Lieferketten.“

Zudem biete die Route eine vergleichsweise sichere geopolitische Lage: „Die durchfahrenen Regionen sind politisch und wirtschaftlich stabil. Das mindert Risiken wie Piraterie, Überlastung oder Konflikteinflüsse, erhöht die Sicherheit der Schiffe, erschließt die Polare Seidenstraße und festigt den dritten Korridor der China-Europa-Lieferkette.“

"Neue Drei"

Besonders in den durch Konflikte und die unstete US-Zollpolitik ausgelösten schwierigen Zeiten sind schnelle, verlässliche  Verbindungen erforderlich. Über die arktische Seidenstraße werden weniger Massengüter, sondern hochwertige Waren und kurzfristige Orders transportiert. „Die Art der diesmal transportierten Güter hängt stark von den im Moment aus China exportierten Gütern und den jeweiligen Warenkategorien ab. Neben herkömmlicher Fracht transportieren wir auf dieser Reise auch eine beträchtliche Menge der „Neuen Drei“ (新 三 样 - Die drei Cleantech-Branchen Solarzellen, Batterien und Elektroautos) Chinas, darunter Photovoltaik, Elektrofahrzeuge Lithiumbatterien sowie Energiespeicherschränke. Dies ist meiner Meinung nach ein perfektes Beispiel für die globale Expansion chinesischer Lieferketten und chinesischer Marken. Diese Waren werden in Europa dringend benötigt,“ erklärte Sealegend-CEO Fang Yi.

„Ich bin überzeugt, dass wir durch diese schnelle Lieferung chinesischen Kunden helfen können, ihre Lieferzeiten zu verkürzen und ihre Lagerbestände deutlich zu reduzieren. Dies wird das Markenimage chinesischer Kunden deutlich verbessern,“ so Fang Yi.

Doch der Handel ist keine Einbahnstraße und Chinas Markt öffnet sich in immer mehr Bereichen. In den Läden gibt es viele ausländische Produkte. Doch beispielsweise bei Lebensmitteln sind nur wenige deutsche Marken zu finden. Durch die Auseinandersetzungen mit den USA gingen die US-Importe nach China stark zurück. In diese Lücke stoßen Lieferanten aus Europa. Die Container sollen gefüllt nach China zurückgehen.

Vision einer „Polar Silk Road“

Die neue Verbindung ist ein neuer Teil des langfristig angelegten Seidenstraßen-Logistiknetz. Bereits 2018 skizzierte China in seinem Arktis-Weißbuch die Vision einer „Polar Silk Road“ durch den Ausbau arktischer Schifffahrtsrouten. Jian Junbo, Direktor des Zentrums für China-Europa-Beziehungen an der Fudan-Universität, sagte dazu: „Die Route reduziert den Aufwand für Spurwechsel auf europäischen Eisenbahnen, verkürzt Wartezeiten und steigert so die Wirtschaftlichkeit. Zugleich umgeht die Hochseepassage Probleme durch unvorhersehbare geopolitische Konflikte in Europa.“

Die Route könne zudem ein wichtiges öffentliches Gut sein, das China der internationalen Gemeinschaft bereitstellt. Auch Länder wie Japan oder Südkorea könnten von einer Kooperation bei der Entwicklung der Route profitieren. Und auch für europäische Logistikunternehmen ergeben sich neue Geschäftsmöglichkeiten.

Im Juli 2017 schlug Chinas Präsident Xi Jinping erstmals das Konzept der „Eis-Seidenstraße“ vor. 2018 veröffentlichte China das Weißbuch zur Arktispolitik, in dem die Idee des gemeinsamen Aufbaus der „Polaren Seidenstraße“ mit allen Beteiligten formalisiert wurde. Bei der Förderung der Zusammenarbeit auf arktischen Schifffahrtsrouten legt China großen Wert auf die Abstimmung mit Küstenstaaten und Interessengruppen, respektiert die legitimen Rechte und Interessen der Arktisanrainer bei der Routenverwaltung und setzt sich für eine friedliche Nutzung und internationale Zusammenarbeit ein. Dieses Kooperationsmodell hat den Regionen entlang der Route konkrete wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet, berichtet „Global Times".


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Sealegend

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