EU-Zölle: Ein Funke Hoffnung?

 
1. November 2024

„Zusatzzölle und ein bisschen Hoffnung“, so die „Tagesschau“ am 30. Oktober. Jedenfalls waren die vielen Medienberichte an diesem Tag zum EU-Beschluss, zusätzliche Zölle auf Elektroautos aus China endgültig zu erheben, äußerst verwirrend. Sind diese Zölle wirklich endgültig, wie viele Medien meldeten, oder glimmt vielleicht noch ein Funke Hoffnung auf eine Einigung? Die deutsche Industrie und die Autokäufer sind jedenfalls sehr verunsichert. Bezeichnend für den „EU-Speed“ ist auch, dass die sogenannten Untersuchungen schon länger als ein Jahr liefen. Die Folge dieser und weiterer Maßnahmen: Der Absatz von Elektrofahrzeugen in der EU bricht ein. In China dagegen erreichten die Elektroautoverkäufe neue Rekordwerte.

EU lenkt von eigenen Versäumnissen ab

Offensichtlich möchte mit dieser Zollfrage die EU von ihren eigenen Versäumnissen ablenken. Bei der Überarbeitung des Berichts stellte sich der Autor jedoch die Frage, ob diese Entscheidung der EU wirklich so unfundiert ist, die negativen Folgen so gravierend, oder ob er chinesische Propaganda verbreite. Die Fachwelt in Deutschland scheint fast geschlossen ebenfalls gegen diese Entscheidung zu sein. Wenige Autoren dagegen loben den Entschluss und meinen, dass die europäische Industrie dadurch Zeit hätte, den Rückstand gegenüber der chinesischen Elektroautoindustrie aufzuholen. Doch wie dies in der Praxis und im Detail funktionieren kann, bleibt unklar.

China größter Autoproduzent der Welt

Die chinesische Autobranche scheint jedoch von den Marktzugangsbeschränkungen weniger irritiert, waren sie doch voraussehbar. Chinas Markt ist in erster Linie der Heimatmarkt, der mit Abstand größte Ländermarkt der Welt. Seine schnelle Entwicklung ging einher mit dem Aufbau der eigenen Produktion. 2022 wurden dort 25 Millionen Kraftfahrzeuge und 2023 bereits 30 Millionen produziert. Die USA auf Platz zwei lagen mit 10,6 Millionen weit zurück.

Chinesische Autoexporte gehen vorzugsweise in Schwellenländer mit hohen Wachstumsraten, in denen chinesische Fabrikate häufig Marktführer sind. Die Androhung der Zusatzzölle beeinträchtigt auch nicht den Wert chinesischer Autokonzerne. Eher das Gegenteil war der Fall. Im September legte der Aktienkurs von Nio um 57 Prozent zu, Xpeng um 42 Prozent und Li Auto um 60 Prozent, Xiaomi und BYD um 30 Prozent, wobei es nach der endgültigen Zollentscheidung Ende Oktober wieder Einbrüche gab, die jedoch in etwa so hoch wie bei deutschen Autokonzernen waren. Die Werte deutscher Autokonzerne bewegten sich jedoch bereits zuvor nach unten. Chinesische Konzerne holen beim Unternehmenswert gegenüber europäischen Wettbewerben weiter auf. Der Aktienmarkt zeigt: Die Zölle schaden in erster Linie den deutschen Konzernen.

Für die chinesischen Konzerne sind die Zusatzzölle wahrscheinlich weniger schädlich, und auch für die Öffentlichkeit in China ist dies nicht das große Thema. Die Zollbeschlüsse standen in der Berichterstattung chinesischer Medien nicht im Mittelpunkt. Stattdessen las man über ein neues Werk in Ägypten, neue Fabriken chinesischer Autokonzerne in Mexiko. JAC Motors verzehnfacht seine Gewinne, die Bruttogewinnmarge von Great Wall Motor stieg im dritten Quartal um 1,8 Prozentpunkte auf 20,8 Prozent und lag bei 3,350 Milliarden Yuan. Die Umsätze von BYD betrugen von Januar bis September 502,25 Milliarden Yuan (rund 70,35 Milliarden US-Dollar), was einem Anstieg von 18,9 Prozent zum Vorjahr entspricht. Der Nettogewinn stieg in diesem Zeitraum im Vergleich zum Vorjahr um 18,1 Prozent auf 25,24 Milliarden Yuan. Viele neue Modelle chinesischer Konzerne in Asien, Afrika und Lateinamerika – solche Brancheninformationen machten den Großteil der Meldungen aus.

Chinas Markt für Elektroautos ist in erster Line China

Doch Hauptmarkt für chinesische Autobauer ist China, der mit Abstand größte Automarkt der Welt. Der Absatz von New Energy Vehicles (NEV) erreichte dort im September einen neuen Rekordwert. Mit 1.287.000 verkauften E-Autos und Plug-in-Hybriden wurde der bisherige Rekord aus dem vergangenen Dezember übertroffen. In Deutschland wurden lediglich 276.000 Neuzulassungen von E-Autos registriert – und das in den ersten sechs Monaten zusammengerechnet; ein starker Rückgang von 29 Prozent. Branchendaten zeigen, dass die Verkäufe vollelektrischer Fahrzeuge in der EU im August um 43,9 Prozent eingebrochen sind, wobei Deutschland und Frankreich, die beiden größten Märkte für Elektrofahrzeuge, einen Rückgang von 68,8 bzw. 33,1 Prozent hinnehmen mussten. Doch ohne einen großen Markt für E-Autos kann sich nur schwerlich eine eigene leistungsfähige E-Auto-Industrie entwickeln.

Westliche, japanische und südkoreanische Autokonzerne verlieren Zukunftsmärkte

Die Zölle bedrohen auch japanische und südkoreanische Konzerne insbesondere auf Drittmärkten. Kang Nam-hun, Präsident der Korea Automobile Manufacturers Association, erklärte: „Wenn der europäische Markt aufgrund von Zollproblemen blockiert wird, können Fahrzeuge chinesischer Marken offiziell in Schwellenmärkte wie ASEAN und den Nahen Osten eintreten.“ Koreanische inländische Automobilunternehmen werden kaum in der Lage sein, dort mit chinesischen Unternehmen um den Markt für umweltfreundliche Autos zu konkurrieren.

Europa subventioniert massiv überholte Technologien

Dabei sind die Kriterien für die EU-Untersuchung wenig transparent. Sie scheinen auf im Voraus gewählten Kriterien zu beruhen, welche für eine Verurteilung Chinas wegen unzulässiger Subventionen genutzt werden können. Doch wie hoch die Subventionen pro Fahrzeug sind, spielt anscheinend eine untergeordnete Rolle. Schlimmer noch: Die EU subventioniert selbst massiv alte, umweltschädliche Technologien.

Laut einer neuen Studie im Auftrag der Umweltorganisation Transport and Environment (T&E), die Mitgliedorganisationen aus 24 Ländern vertritt, gewähren die fünf größten Mitgliedsstaaten der EU insgesamt rund 42 Milliarden Euro an jährlichen Subventionen für mit fossilen Brennstoffen betriebene Firmenfahrzeuge (insgesamt 45,6 Milliarden US-Dollar). Untersuchungen zeigen, dass Firmenwagen etwa 60 Prozent der Neuwagenverkäufe in Europa ausmachen. Unter den großen EU-Mitgliedsstaaten liegt Italien mit 16 Milliarden Euro an Zuschüssen an der Spitze, gefolgt von Deutschland mit 13,7 Milliarden Euro. Frankreich und Polen stellen jährliche Subventionen in Höhe von 6,4 Milliarden Euro bzw. 6,1 Milliarden Euro bereit.

Die Studie ergab, dass diese vier Länder insgesamt rund 15 Milliarden Euro in die Subventionierung von SUV-Modellen investiert haben. Dienstwagenfahrer erhalten einen durchschnittlichen jährlichen Steuervorteil von 6800 Euro, bei größeren, umweltschädlicheren Modellen beträgt der Steuervorteil sogar bis zu 21.600 Euro.

VDA-Präsidentin Hildegard Müller erklärt auf den Vorwurf von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, China überschwemme die EU mit billigen Elektroautos, gebetsmühlenartig, dass deutsche Konzerne immer noch hundertmal mehr Autos in China verkaufen als chinesische in Deutschland. Nicht mehr lange. Aus Deutschland werden überwiegend hochpreisige Benziner nach China importiert mit hohen Gewinnspannen. Diese sind nicht nur immer weniger gefragt, sondern überschlägig gerechnet pro Fahrzeug viel höher subventioniert als chinesische Elektroautos.

Ist die EU-Untersuchung Industriespionage?

Das EU-Verfahren sei unfair und enthalte einiges, was sonst nirgendwo praktiziert worden sei, so chinesische Unternehmen und Regierungssprecher. Die EU-Kommission habe zum Beispiel chinesische Autohersteller im Zusammenhang mit der schriftlichen Anhörung zu Geschäftsgeheimnissen wie technischen Details über den Bau von Batterien befragt. Trotz umfangreicher Stellungnahmen und Unterlagen von den Herstellern mit einer Größe von mehreren Dutzend Terabyte habe Brüssel weiteren Informationsbedarf gesehen. Zudem habe bei der Auswahl europäischer Autohersteller zum Kostenvergleich Intransparenz geherrscht. So sei kein deutscher Autohersteller unter den ausgewählten, sondern lediglich die Autobauer aus Italien und Frankreich, die große Schwierigkeiten hätten, auf dem Markt zu überleben, berichtet die Deutsche Welle.

EU-Beschlüssen fehlt technologischer Sachverstand

Die chinesischen Unterhändler munkelten außerdem, dass ausgerechnet Tesla, ein US-Hersteller, der in Shanghai eine Megafabrik betreibt, von der Berechnung der Strafzölle ausgenommen worden sei. Tesla sei der größte Autobauer, der seine E-Autos „Made in China“ nach Europa exportiere. Im EU-Beschluss werde Tesla deutlich bevorzugt im Vergleich zu seinen chinesischen Mitbewerbern - und auch zu den deutschen, so die Deutsche Welle. Doch Tesla bietet nur wenige Modelle, und bezogen auf ein Modell erhielt Tesla viele Subventionen.

In den Durchführungsbestimmungen sind akribisch 1432 Punkte und umfassende Tabellen aufgeführt. Ein Meisterwerk Brüsseler Bürokratie, dem jedoch anscheinend eine gescheite Basis fehlte und das auch wenig Verständnis für die chinesische Industriepolitik zeigt. China fördert in erster Line emissionsfreie Autos, die auf den eigenen Straßen fahren. Wie könnte das Land dies ohne die in der Untersuchung aufgeführten und bemängelten Punkte schaffen? Einige Punkte sind sicherlich bedenkenswert, und darüber müsste verhandelt werden. Aber die Masse der kritisierten Hilfen brauchen China und seine Autokäufer, um emisionsfrei zu werden. Sie sind auf China und nicht gegen die EU oder die USA gerichtet. Bei einer sinnvollen und weitsichtigen Strategie könnte die EU von dem Entwicklungs- und Preisvorsprung profitieren.

Die EU war scheinbar an Sachkompetenz und gemeinsamen Gesprächen, in denen erst einmal die technischen Fragen bewertet und geklärt werden müssten, wenig interessiert. Die chinesische Autobranche machte mit den deutschen Autokonzernen dafür einige Vorschläge und Veranstaltungen, in denen es häufig um einen gemeinsamen und schnellen Weg in eine emisionsfreie und nachhaltige Zukunft ging. Wenn dort, wie beispielsweise bei der vergangenen IAA in München, eine Vertreterin der EU auftauchte, zeigte sie wenig technischen Sachverstand und wirkte mit ihren Mahnungen an China, bessere Umweltpolitik zu machen, eher überheblich.

Überkapazitäten in Europa

China müsse auf Teufel komm raus exportieren, da dort die Werke nicht ausgelastet seien, so die EU. Doch sieht es in manchen Werken in Europa schlimmer aus. Volkswagen kündigte zeitgleich mit der Verkündigung des Zollbeschlusses an, eventuell mehrere Werke schliefen zu müssen. Katastrophenmeldungen über Konkurse der Zulieferindustrie in Europa häuften sich im Oktober. Die Probleme der Überkapazitäten der weltweiten Autoindustrie liegen in erster Linie in Europa und insbesondere in Deutschland.

Dass China bereits durch Überkapazitäten gezwungen sei, um jeden Preis Europa mit hochsubventionierten Elektroautos zu überschwemmen, entbehrt jeglicher Datenbasis. In China werden immer noch in etwa so viele Autos produziert wie auch verkauft. Die deutsche Autoindustrie hat dagegen eine Exportquote von 70 Prozent. Die gesamte Außenhandelsquote von Gütern und Dienstleistungen als Anteil des Bruttoinlandsprodukts liegt in Deutschland mit 47,7 Prozent weit mehr als doppelt so hoch wie diejenige von China mit 20 Prozent.

Es gibt keine chinesischen Überkapazitäten

Überkapazitäten, wie es die EU nennt, sind wesentliche Grundlagen jeglicher Marktwirtschaft, die den Wettbewerb befeuern. Sie sorgen für Innovationen und sinkende Preise. Diesen Mechanismus durch die EU außer Kraft zu setzen, ist schlimmste Planwirtschaft, welche Länder und Regionen vom weltweiten Fortschritt abhängt. China kontert den Vorwurf der subventionsverzerrten Überkapazität auf zwei Ebenen:

Es gebe keine Überkapazität, weil die globale Nachfrage in den kommenden Jahren ein Vielfaches der aktuellen Werte erreichen werde. Weltweit würden 2030 nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur IEA 45 Millionen Elektrofahrzeuge verkauft werden, viermal so viel wie 2022. Auch die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen werde sich in dieser Zeit vervierfachen. Auf absehbare Zeit werde es eher einen Mangel als ein Überangebot an „neuen Energie-Produkten“ geben. Die Welt und insbesondere die Anstrengungen zur Dekarbonisierung würden davon profitieren.

Chinas Wettbewerbsvorteil basiere vor allem auf einer harten Konkurrenzsituation im Land – dem mit Abstand größten Markt für chinesische New Energy Vehicles. Das führe zu einem Innovationsdruck und möglichst effizienter Produktion. China habe deshalb komparative Vorteile – ein Grundprinzip für den internationalen Handel. Dass ein Land mehr produziere, als es für den Eigenbedarf benötige, sei daher auch logisch. Außerdem schafften Chinas Unternehmen weltweit Arbeitsplätze, indem sie beispielsweise vor Ort neue Produktionsstätten für ihre Produkte errichteten.

Entwicklungsvorsprung Chinas sollte genutzt werden

Besser sei es, rät mancher Handelsexperte, den Spieß umzudrehen. So wie China damals westlichen Unternehmen eine Marktpräsenz nur bei einem Joint Venture mit einem einheimischen Hersteller erlaubt haben, sollten jetzt die USA und die EU Chinas Firmen verpflichten: Produziert und verkauft wird nur gemeinsam – so profitieren die Industrieländer vom Vorsprung Chinas. Doch dazu müsste erst einmal anerkannt werden, dass Chinas Produkte mindestens so leistungsstark sind wie „Made in Germany“ oder „Made in USA“, so ein Bericht der Deutschen Bank. Das Feindbild, das die EU aufbaut, und weitere Beschränkungen der EU schrecken jedoch chinesische Investitionen eher ab.

Europäische Autokonzerne flüchten nach China

Die EU-Politik vertreibt zudem die eigene Industrie, die zudem von hohen Energiekosten, maroder Infrastruktur und einer überbordeten, schlecht funktionierenden Bürokratie, von unzähligen Regularien geplagt ist. Einem Bericht der Hongkonger „South China Morning Post“ vom 31. Oktober zufolge hatten EU-Unternehmen, angetrieben von deutschen Automobilherstellern, im zweiten Quartal weiterhin in Greenfield-Projekte in China investiert, obwohl EU-Politiker eine wirtschaftliche „Risikoreduzierung“ in China fordern. Sie erreichten einen Rekordwert von 3,6 Milliarden Euro (ca. 27,8 Milliarden RMB). Dies seien die höchsten EU-Greenfield-Investitionen in China eines Quartals seit Beginn der Aufzeichnungen und viel höher als die durchschnittlichen vierteljährlichen Investitionen der EU in Höhe von 1,8 Milliarden Euro seit 2022. Angesichts der zunehmenden Handelsbeschränkung der EU und der USA möchten immer mehr Unternehmen die Umsetzung der „In China, für China“-Strategie vorantreiben, um ihre chinesischen Lieferketten vor den Auswirkungen der geopolitischen Lage zu schützen, so die Hongkonger Zeitung.

Mit ihren Wirtschaftshürden möchte die EU einen Kampf der Systeme austragen

Warum geht die EU so harsch gegen China vor? Nicht nur, um von eigen Versäumnissen abzulenken. Sie steckt in einem dualistischen Denken fest, in dem der Westen die ideologische, militärische und wirtschaftliche Führungsrolle hat. Doch nicht nur in China, sondern in einem Großteil der Welt, in dem die meisten Menschen der Erde leben, wird dies als ein neokolonialistisches Vorgehen angesehen, das dazu diene, den Rest der Welt klein zu halten.

Der Westen dominierte die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten, und das nicht unbedingt zum Wohle der meisten weniger entwickelten Länder, der ehemaligen Kolonien. Nun zieht ausgerechnet ein „systemischer Rivale“ technologisch im Bereich der dringend notwendigen grünen Zukunftstechniken am Westen vorbei. Ein Großteil der westlichen Politik igele sich ein „wie ein Kerzenmacher, wenn erstmals das elektrische Licht eingeschaltet wird“, spotten asiatische Medien.

Spioniert Tesla China aus?

Besonders große Gefahren gehen in diesem Denken von den smarten Autos aus China aus, die mit Überwachungstechnik gespickt sind. Das Auto der Zukunft ist ein Smart Car, vollgestopft mit Elektronik, Kameras und Sensorik. Dies ist das nächste Schlachtfeld der EU und noch mehr der USA. Doch wenn intelligentes Fahren die nationale Sicherheit gefährdet, sollte sich China mehr Sorgen machen, so chinesische Medien. Denn 27,7 Prozent des Marktanteils des chinesischen Smart-Driving-Marktes werden vom israelischen Unternehmen Mobileye besetzt, darunter Komponenten wie Chips und Software für assistiertes Fahren. Und was der israelische Geheimdienst mit Unterstützung der USA kann, wurde deutlich, als Tausende Pager im Libanon zeitgleich zur Explosion gebracht wurden. Und über eine Million Tesla fahren mit ihren Kameras und Sensoren in China.

Die Gefahren, welche von smarten, vernetzten Fahrzeugen ausgehen, müssen in den Griff bekommen werden, und zwar weltweit. Ein Ausschluss von israelischer oder chinesischer Technologie ist dafür der schlechteste Weg. Es müssen weltweit gültige Standards geschaffen werden. Dies kann nur in einer globalen Kooperation gelingen.

USA und China: Sie brauchen den Feind

Doch das Gegenteil zu mehr Kooperation ist der Fall. Der Anti-China-Konsens des Westens ist vor allem eine Folge der offensichtlichen wirtschaftlichen und geopolitischen Konkurrenz der beiden Länder. Die USA und China sind mit Abstand die größten Industrienationen der Welt. Sie kämpfen darum, wer was produziert und wer wo das Sagen hat. Doch so nationalistisch-düster und paranoid-schrill, wie in den USA die Rivalität mit China mitunter inszeniert wird, lässt sich darin noch etwas anderes, tieferes erkennen: eine besondere Eigenart der US-amerikanischen Psyche, so eine aktuelle Analyse in der Wochenzeitung „Die Zeit“.

Nicht nur die westliche Parteipolitik beschwört China als ultimativen Endgegner. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass ein amerikanischer Thinktank oder ein Nachrichtenmagazin diskutiert, wie heiß der „neue Kalte Krieg“ nun schon sei. Insbesondere bei rechten US-Medien ist von einem Kampf zwischen „Freiheit und Tyrannei“ die Rede, von Gut gegen Böse. All das wirkt tief in die amerikanische Gesellschaft hinein: Laut repräsentativen Umfragen blicken mittlerweile über 80 Prozent der Bevölkerung ablehnend auf China.

Kampf der Systeme: Handelskrieg kann zum Weltkrieg führen

„Es ist offensichtlich, dass China nicht für sein politisches Versagen, sondern für seinen wirtschaftlichen Erfolg bestraft wird“, schreibt der Ökonomieprofessor J. W. Mason vom John Jay College, City University of New York, mit Bezug auf die Zollpolitik der USA. Der dadurch angeheizte Handelskrieg wiederum mache einen militärischen Konflikt wahrscheinlicher, wie Experten warnen. Der Ton in der amerikanischen Politik und Administration wird jedenfalls immer bellizistischer. Die Kommission für die Nationale Sicherheitsstrategie des US-Kongresses konstatierte im Juli, dass China „den militärischen Vorteil der USA weitgehend zunichtegemacht“ habe. Die amerikanische Öffentlichkeit habe noch nicht verstanden, was es bedeutet, „wenn die Vereinigten Staaten ihre Position als Weltsupermacht verlieren“, heißt es. Ein parteiübergreifender „Aufruf zu den Waffen“ sei dringend erforderlich.

Crink. Die Achse des Bösen wird heraufbeschworen

Währen Europa bis vor wenigen Jahren eine eher eigenständige China-Politik betrieb, gleichen sich die Positionen jetzt zu der USA an. Auch hierzulande wird eine Allianz des „freien Westens“ gegen die "Achse des Bösen" gefordert. Crink ist das neue Kürzel – China, Russland, Iran, Nordkorea. Es wird übersehen, dass China beispielsweise im russischen Angriffskrieg in der Ukraine eher eine Vermittlerrolle einnehmen könnte. Indien, jetzt das bevölkerungsreichste Land der Welt, hat viel engere militärische und wirtschaftliche Beziehungen mit Russland. Äußerlich eine Demokratie, wird es seit Jahrzehnen als der natürliche Partner des Westens und Zukunftsmarkt der deutschen Autobranche gesehen und steht daher weniger in der Kritik. Doch das politische und wirtschaftliche System Indiens ist in der Praxis kaum mit westlichen Systemen vergleichbar. Indien ist Indien, so wie China China ist.

Staaten, die über die Hälfte der Menschheit vertreten, treffen sich in Russland

China, Indien, Afrika, arabische Staaten und Lateinamerika möchten eigene Machtblocke haben. Im Brics-Gipfel im russischen Kasan trafen sich vergangenen Monat Staatschefs und Vertreter dieser Länder zum einem Gipfeltreffen, Länder, die über die Hälfte der Weltbevölkerung vertreten. In diesen Ländern hat sich zudem das Ansehen des Westens massiv verschlechtert. Die Achse des Bösen ist dort aus Sicht vieler Menschen eher der überhebliche Westen. Die Einwohnermehrheit der Welt trifft sich mit Putin, der seit Februar 2022 einen Angriffskrieg gegen die vom Westen unterstützte Ukraine führt. Viel deutlicher ist kaum zu beschreiben, wie weit sich viele Länder vom Westen abgewandt haben. Aber in Kasan war immer wieder zu hören: Wir sind nicht westlich. Wir sind aber auch nicht antiwestlich.

Strahlkraft des Westens nimmt ab

Weltweit nimmt die Strahlkraft des Westens massiv ab, und China wird beliebter. Als überzeugter Demokrat und Europäer sollte man sich fragen, warum dies so ist und wie unsere Demokratie besser und leistungsfähiger wird. Die EU sollte sich so weit modernisieren, dass sie eine gescheite, zukunftsfähige Politik zum Wohle ihrer Bürger und der Menschheit leisten kann. Dies ist auch für den inneren Bestand lebensnotwendig. Derzeit herrscht eine unverständliche EU-Politik, welche nicht nur Elektroautos verteuert, sondern auch zur Hinwendung vieler Menschen zu extremistischen Parteien führt. Nicht ausgeschlossen, dass diese die Mehrheiten bei Wahlen gewinnen und der EU den Todesstoß versetzen.

Die EU bestimmt nicht die Welt, der Westen verspielt seine Führungsrolle. Aus Sicht der Staaten, welche die Mehrheit der Weltbevölkerung vertreten, ist das gut so. Es ein Trugschluss zu meinen, China oder Indien möchten diese übernehmen. Eine gerechte, vielfältige Welt ist multipolar mit verschiedenen Machtzentren – auch in Afrika oder Lateinamerika. Und der Aufstieg der Schwellenländer muss nicht bedeuten, dass Europa und die USA zurückfallen. Dies würde nur die globale Gerechtigkeit fördern und helfen, viele globale Zukunftsprobleme zu lösen.

Indien hat mehr als dreimal so viele Einwohner wie die EU, China hat mehr als dreimal so viele Einwohner wie die EU. Asien. Afrika oder Lateinamerika haben eigene Vorstellungen. In einer multipolaren Welt kann niemand einen Kampf des Westen gegen China gewinnen. Kooperationen auf Augenhöhe sind gefragt. Besonders bei Umwelt- und Zukunftstechnologien wie Elektroautos. Die Welt kann dabei auf die EU verzichten – aber nicht auf China.

Lernen von China

Lernen von China. Mit diesem Titel stellt das Manager Magazin die neueste Automobilstudie der Unternehmensberatung Roland Berger vor. Für diesen Lernprozess ist es wichtig zu sehen, wie dies umgekehrt in China oder Indien funktioniert. Die eigne historische, kulturelle und politische Basis bleibt als Fundament bestehen. Auf dieser Basis werden Techniken oder Gedanken aufgenommen und angepasst, welche die Länder weiterbringen. Wie schafft China den Übergang zur umweltfreundlichen Elektromobilität, der dort übrigens mit 40.000 Kilometer Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsnetz und riesigen S-Bahn-Systemen in erster Line schienengebunden ist?

Die deutsche Industrie hat sich mit den chinesischen Modernisierungskonzepten befasst und ihre Hausaufgaben gemacht. Die Politik scheint weitgehend der Meinung zu sein, dies sei nicht nötig. Doch ohne einen gescheiten weitblickenden wirtschaftspolitischen Ramen kann die ökologische Transformation kaum gelingen.

Die europäische Autobranche hatte auch zuvor nicht geklagt, als Japan massiv in den europäischen Markt einstieg, sondern übernahm viel von japanischen Produktionssystemen, wie Lean Production. Deutsch-japanische Kooperationen sorgte für einen Technologieschub. Die Konkurrenz japanischer Mareken im eigenen Land befeuerte den Wettbewerb. So wurden europäische Marken auf ausländischen Marken wettbewerbsfähiger.

Andere Kulturen verstehen und anerkennen

Ende Oktober fand zudem in Neu-Delhi das wichtigste Asientreffen der deutschen Wirtschaft, die Asien-Pazifik-Konferenz statt. „Wenn die Weltpolitik die Geschäfte verhagelt,“ so der Titel des Konferenzberichts der „Süddeutschen Zeitung“. In Delhi regen sich die deutschen Konzernchefs über die Politik auf, die sie von China weglotsen will.

„Treffen wie die Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft brauchen wieder mehr Unternehmerschaft und weniger Politik, mehr Demut und weniger Belehrung, mehr Selbstkritik und weniger Forderungen. Nur so kann man potenziellen Partnern auf Augenhöhe begegnen,“ sagt Bernd Reitmeier, ehemals Chef der Außenhandelskammer Shanghai, der jetzt die Start-up Factory im Industriepark Kunshan betreibt. „Die Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft im indischen Neu-Delhi war meine sechste APK in Folge, und irgendwie bekomme ich das Gefühl nicht los, dass uns unsere Gastgeber in Asien jedes Mal ein Stück weniger ernst nehmen, so Reitmeier in Table Media.

Auf Augenhöhe. Das konnten die EU-Beamten und EU-Politiker bei ihren Untersuchungen nicht bieten. Das Auftreten war überheblich, scheinbar ohne Fachkompetenz, mit einer Vorverurteilung. Es gibt hoffentlich andere EU-Beamte: Bislang hatte ich bei meinen Delegationsreisen keine so an der Sache uninteressierte Personen gesehen wie die spärlich mitreisenden EU-Beamten. Während wir Fabriken oder Wissenschaftseinrichtungen besuchten, waren die mit ihren mitreisenden Familienangehörigen schoppen.

Dialog auf Augenhöhe

Gute Lösungen zum Nutzen aller Menschen und der Umwelt zu finden, funktioniert nur im Dialog, auf Augenhöhe. Der Bereich der Elektromobilität könnte der Testfall dafür sein, ob dies gelingt, oder ob die EU beginnt, sich selbst abzuschaffen und die Welt die Chance zum rechtzeitigen Umsteuern in eine nachhaltiges System verpasst.

EU-Politik gefordert

Die EU-Politik muss effektiver, schneller, weitsichtiger und schlagkräftiger werden. Sie muss sich an dem Erreichen ihrer eigenen Ziele messen. Die EU-Politik ist durch die große Verzettelung eines Parlaments mit über hundert Parteien ausgebremst. Viele Begehrlichkeiten müssen zum Machterhalt bedient werden, und manchmal entsteht der Eindruck, dass Entscheidungen nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner getroffen werden.

In Deutschland müssen sich in der Regierungskoalition zwar nur drei Parteien abstimmen. Aber auch hier ist kein langfristiger Plan zu erkennen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) traf sich Ende Oktober mit Vertretern der Auto-, Chemie- und Stahlindustrie. FDP-Wirtschaftsminister Christian Lindner lud zeitgleich den Mittelstand zu einem Wirtschaftsforum, und der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck präsentierte ein nicht mit den Koalitionsparteien abgestimmtes Wirtschaftspapier. Drohende Neuwahlen in Deutschland, in der extremistische Parteien zulegen könnten, machen eine weitsichtigere und nachhaltigere Politik nicht unbedingt einfacher.

Die Probleme beim Thema internationale Automobilindustrie und der damit verbundenen Übergang zu CO2-neutraler Produktion und Konsumtion liegen weniger bei China, sondern eher in der EU. Die Automobilbranche und die Autokäufer brauchen verlässliche Rahmenbedingungen und eine funktionierende Infrastruktur. Wir müssten unsere Hausaufgaben machen und effektiver, weitsichtiger und nachhaltiger werden. Wir müssen damit unsere demokratischen Errungenschaften, unseren Wohlstand und die ökologischen Lebensvoraussetzungen sichern. Eine Übernahme des chinesischen System kommt dafür sicherlich nicht infrage. Aber lernen von China und Asien, beispielsweise im Bereich der Industrie- und Umweltpolitik, ist erforderlich.

Ein globales Umsteuern kann nicht funktionieren, wenn ein Systemkonflikt zwischen dem Westen und China und anderen einwohnerstarken Schwellenländern heraufbeschworen und befeuert wird. Es geht nur, wenn internationale Institutionen wie die WTO gestärkt werden, die auch Handelsstreitigkeiten unparteiisch regeln könnten. Umwelttechnik und Elektroautos stehen dabei im Zentrum einer multilateralen neuen Weltwirtschaftsordnung.

Asia Media Service, Dr. Thomas Kiefer


Links

DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2024/2754 DER KOMMISSION vom 29. Oktober 2024 zur Einführung eines endgültigen Ausgleichszolls auf die Einfuhren neuer batteriebetriebener Elektrofahrzeuge für die Personenbeförderung mit Ursprung in der Volksrepublik China

EU beendet Antisubventionsuntersuchung zu chinesischen Elektrofahrzeugen

Delegation of the European Union to the People’s Republic of China. EU imposes duties on unfairly subsidised electric vehicles from China while discussions on price undertakings continue

Europäisches Parlament. BERICHT über die Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat und den Vizepräsidenten der Kommission / Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu den Beziehungen zwischen der EU und China

Tagesschau. Zusatzzölle und ein bisschen Hoffnung

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