EU-Zusatzzölle auf E-Autos aus China behindern Klimaziele

 
1. August 2024

Die EU verhängt Zusatzzölle auf Importe von E-Autos aus China. Dass diese Zölle kommen, war anscheinend bereits vor der Untersuchung der EU klar. Aus chinesischer Sicht war dies keine Untersuchung, da weniger zusammen nach Lösungen gesucht wurde. Die Kriterien wurden einseitig von der EU-Bürokratie eher bunt gemischt zusammengestellt, damit eine unzulässige Subvention belegt werden kann. Sachverstand fehlte offensichtlich, und so wurden beispielsweise ausländische Beteiligungen wie VW in Shanghai als chinesische Konzerne bewertet. Dabei ginge eine Einigung im Dialog und dem jahrzehntelangen Vorfeld der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit im Automobilsektor recht einfach: Die EU könnte sich gemeinsam mit China und internationalen Institutionen auf gemeinsame Standards einigen.

Weltweit einheitliche Kriterien erforderlich

Untersuchungskriterien müssten international gelten, auch bei der Bewertung von Subventionen in der EU, den USA, Japan oder Südkorea. Deutschland oder Japan haben weitaus höhere Exportquoten der Autobranche. Hier wird stolz gesagt, dass dies die Leistungsfähigkeit der heimischen Industrie zeige. Doch wenn China jetzt Exporte startet, sei dies unfair und könne nicht mit rechten Dingen zugehen. Die Entwicklung dürfte jedoch auch das Scheitern der europäischen und insbesondere deutschen Industrie- und Klimapolitik zeigen. Das im Internet zugängliche EU-Dokument ist damit auch ein Denkmal für die EU-Bürokratie.

Green Deal droht zu scheitern

Die EU-Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge könnten den Fortschritt bei den grünen Zielen der EU verlangsamen. „Wenn die europäischen Verbraucher das Gefühl haben, dass der europäische Grüne Deal ihnen schadet, anstatt ihnen zu helfen, könnte das negative Auswirkungen haben … Und viele Menschen machen sich mehr Sorgen um die Inflation und ihren Geldbeutel … Die Frage ist also: Wird die Öffentlichkeit das akzeptieren?“ so Miranda Schreurs, Professorin an der Technischen Universität München in einem Interview der Voice of America.

Zölle könnten chinesische Anbieter weiter stärken

Der Zusatzzoll dürfte die chinesische Autoindustrie noch leistungsfähiger machen und den Vorsprung gegenüber westlichen Autokonzernen vergrößern. Zölle könnten den europäischen Autobauern lediglich kurzfristig Vorteile gegenüber chinesischen Konkurrenten ermöglichen, so Felix Kuhnert, der Leiter des Autobereichs bei PwC Deutschland. „Die chinesischen Hersteller haben jedoch in der Vergangenheit eine hohe Adaptionsfähigkeit und Agilität gezeigt und werden die Zölle zum Anlass nehmen, ihre Produktionskapazitäten in Europa hochzuschrauben oder Partner für die Auftragsfertigung suchen und mit noch wettbewerbsfähigeren Produkten aufwarten.“

Kooperation mit chinesischen Technologieführern erforderlich

Um das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 zu erreichen, ist der Automobilstandort Deutschland auf ein Maßnahmenbündel der Bundesregierung und auf chinesische Hersteller angewiesen. Mit seinem aktuellen Kurs wird Deutschland die Zielmarke um rund sechs Millionen Fahrzeuge verfehlen, so eine Studie der Denkfabrik Agora Verkehrswende und der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG).

„Wer Klimaziele erreichen und den Automobilstandort Deutschland langfristig sichern will, sollte sich für einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität unter Einbeziehung chinesischer Unternehmen einsetzen“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Das mag auf den ersten Blick paradox klingen, aber ein schneller Strukturwandel zu Elektromobilität trägt auch zu mehr Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China bei. Der Aufbau von europäischen Wertschöpfungsketten für Batterien macht unabhängiger von Chinas dominierender Marktstellung. Die rasche Ansiedlung chinesischer Unternehmen in Europa nach gemeinsamen Spielregeln schafft mehr Wertschöpfung als Importe. Gleichzeitig bietet sich so die Gelegenheit, in Technologiebereichen wie der Batterie durch Kooperationen Entwicklungsrückstände aufzuholen.“

Hauptproblem ist weniger Verlust von Weltmarktanteilen, sondern zunehmende technologische Rückständigkeit

Doch die klassischen Industrieländer verlieren Zeit. Nicht nur China, sondern auch weitere Schwellenländer holen auf – oft mit chinesischer Technologie. In den ASEAN-Ländern, Zentralasien, Lateinamerika und Afrika sind Autos made in China oft Marktführer. Zunehmend werden diese auch vor Ort gefertigt. China macht Komplettangebote zum Aufbau grüner Industrien und moderner Verkehrssysteme. Europa oder die USA kündigen großartige Gegenprogramme an, doch realisiert wird wenig, klagen Regierungsvertreter der Schwellenländer.

In Afrika ist im Automobilsektor zu sehen, was bereits im Telekommunikationssektor mit dem Überspringen der Festnetztelefonie geschah. Die Massenmobilisierung könnte mit E-Autos beginnen. Äthiopien hat den Import von nichtelektrischen Fahrzeugen verboten und ist damit das erste Land weltweit, das Autos mit Verbrennungsmotoren vollständig verbietet. Die meisten E-Autos in Äthiopien kommen aus China. Auch in anderen Schwellen- und Entwicklungsländern mit wenig Fahrzeugen aber hohen Wachstumsraten ist China Marktführer. Zunehmend jedoch nicht mit made in China, sondern made by China durch Auslandswerke in der Region. Europa kann da immer weniger mithalten, verstärkt durch die Wagenburg-Mentalität der EU-Schutzzölle. Da könnten in den Wachstumsmärkten eher Elektroautomarken aus Vietnam oder der Türkei punkten.

„Die Welt retten“ – funktioniert nur in Kooperation mit Schwellenländern

Dabei ist die Elektromobilität in den Schwellen- und Entwicklungsländern lediglich ein Teil einer grünen Wirtschaft und Gesellschaft, wenn auch ein zentraler. China gibt verstärkt den Takt vor, und dies nicht nur technologisch. „Dem Land kommen dabei drei Faktoren zugute. Die Volksrepublik ist als ehemaliges Entwicklungsland und Opfer des Kolonialismus glaubwürdig. Zweitens hat Chinas durch den aus eigener Kraft gelungenen Wohlstandsteigerung enorme Strahlkraft. Drittens übernimmt China eine Vorreiterrolle bei der Dekarbonisierung, es proklamiert eine ökologische Gesellschaft als Staatsziel und gilt mit einer staatlich orchestrierten ökologischen Modernisierung als Vorreiter beim technologisch orientierten Umweltschutz“, fasst Timo Daum Chinas Rolle bei der Elektrifizierung der Welt in den Mitteilungen des Wissenschaftszentrums Berlin zusammen.

Der Westen sieht Afrika meist als Rohstofflieferant – neuerdings von grünem Wasserstoff und als Absatzmarkt von Industrieprodukten. Hierzulande sind immer wieder Vertreter der Autoindustrie zu hören, die für ein langes Leben von Verbrennungsmotoren unter anderem mit dem Argument werben, auf dem afrikanischeren Kontinent würden diese noch genbraucht, so Daum weiter. Grüner Wasserstoff aus Afrika oder Lateinamerika für Europa? Ihre grüne Energie brauchen Schwellen- und Entwicklungsländer dringender für ihr eigene Entwicklung und ihre Motorisierung.

Globaler Universalismus statt Sektordenken

Technologische Entwicklung, Wirtschaftswachstum, Wohlstandssteigerung und Dekarbonisierung müssen nicht nur zusammen in einem Konzept gedacht und realisiert werden. Sie sind ein globales Projekt, in dem jedoch die klassischen Industrieländer nicht mehr die gewohnte Führungsrolle einnehmen. Abschottung schadet, wirft zurück. Kooperationen und gemeinsam definierte Standards stärken. Die europäische Politik müsste in diesem harten Wettbewerb bessere Rahmenbedingungen für die heimische Industrie und Planungssicherheit schaffen, damit nicht weiterhin Autowerke in Europa geschlossen werden, Zulieferer in Konkurs gehen und laufend tausende Arbeitsplätze vernichtet werden und die Forschung zunehmend im Ausland stattfindet. Sie sollte für günstige, bezahlbare E-Autos sorgen, billiger als Verbrenner. Doch das Gegenteil geschieht.


Asia Media Service, Dr. Thomas Kiefer


Links

PwC-Analyse: China: Von der Werkbank zum Technologieführer

Chinahirn. Wie China den Einsatz erneuerbarer Energien forciert

Studie: Politisches Zögern und Zölle für China-Importe rücken E-Auto-Ziel „in weite Ferne“

ÄTHIOPIEN: Sofortiges Importverbot für nichtelektrische Fahrzeuge

Timo Daum. Das postfossile Zeitalter - Chinas Rolle bei der Elektrifizierung der Welt

Mobirise
Mobirise

Foto: Georg Hassa


Mobirise

Free AI Website Creator