21. Juni 2024
Ab dem 21. Juni 2024 ist die Neupräsentation „Inspiration China“ im Rahmen der Wiedereröffnung der Ostasien-Sammlung des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe (MK&G) für die Öffentlichkeit zugänglich. Über 200 Werke aus der rund 2600 chinesische Objekte umfassenden Sammlung des MK&G verdeutlichen Prinzipien und Grundlagen chinesischer Kunst wie die modulare Gestaltung und die Einheit von Schrift und Bild. Mit über 14.000 Objekten gehört die Sammlung Ostasien im MK&G zu den bedeutendsten Sammlungen ostasiatischer Kunst in Europa. Zu sehen sind unter anderem Ritualbronzen, kaiserliches Porzellan, Schnitzlacke sowie Malerei, Kalligrafie und Farbholzschnitte.
Sieben Ausstellungsmodule führen durch die Sammlung
„Inspiration China“ im 2. Obergeschoss des Museums umfasst sieben Ausstellungsmodule in vier Ausstellungsräumen. Am zentralen Eingang zeigt in China gefertigtes Porzellan das Thema Exportporzellan als eines der wichtigsten globalen Handlungsgüter der frühen Neuzeit. Nicht nur im 19. Jahrhundert war man in China schon in der Lage, für die unterschiedlichen Märkte, die beliefert wurden, speziell zu produzieren. Man hatte damals schon die Fähigkeit, auf Gestaltungsprinzipien unterschiedlicher Kulturen, und nicht nur entlang der Seidenstraße, Produkte gezielt auszurichten. So ist beispielsweise ein porzellanener bayrischer Bierkrug gefertigt in China zu sehen. Vermarktet wurden diese Waren oft von der „East India Company“.
Chinesisches Kunsthandwerk- produziert für den europäischen Markt
Die Produktion für den internationalen Markt geschah vor allem zur Zeit der letzten Dynastie in China, der Qing-Dynastie, die eigentlich eine Fremddynastie mandschurischen Ursprungs war unter der die Kunstwerkstätten und Manufakturen durch den Kunsthandel mit dem kolonialen Europa und Amerika eine Blütezeit erlebten, die auch als „Chinoiserie“ bekannt geworden ist.
Frühe persische Einflüsse
In weit früheren Zeiten folgen Gefäßformen persischen Vorbildern und Pferde sowie Kamele verdeutlichen den florierenden Handel über die Seidenstraße, welches auch die wunderbaren Keramiken der Transporttiere wie Pferd und Kamel aus dem Zeitalter der Tang-Dynastie aus dem frühen 8. Jahrhundert dokumentieren.
Heute erhaltene Keramiken der Tang-Dynastie (618–907) stammen in der Regel aus Gräbern und dienten der Verehrung der Ahnen. Sie sollten den Verstorbenen ein angemessenes Leben im Jenseits ermöglichen und sind Zeugen dieser Blütezeit chinesischer Kultur und ihrer transkulturellen Verflechtung mit fernen Ländern. Hofdamen lassen das Schönheitsideal vollwangiger Gesichter mit zierlichen Mündern wiederaufleben.
Module Serienproduktion vor drei Jahrtausenden
Mit der Kunstproduktion in China entstanden auch bereits früh technische Innovationen. Die Ritualbronzen der Shang-Dynastie (ca. 1600–1046 v. Chr.) und Zhou-Dynastie (1046–256 v. Chr.) sind ein Paradebeispiel für modulare Gestaltung, welche nicht nur eine ausdifferenzierte Arbeitsteilung und außerordentliche Qualität, sondern auch eine besonders effiziente Produktion in der vorindustriellen Zeit ermöglichte. Die chinesische Schrift ist ein weiteres Beispiel für Modularität: Acht Grundstriche sind zu 214 Modulen organisiert, aus denen sich 50.000 Schriftzeichen zusammensetzen. Die Organisation als bedeutungsweisende Schrift ermöglicht die Kommunikation über Dialekte und Jahrtausende hinweg.
Kaligraphie, Malerei und Kunsthandwerk als Gesamtkunstwerk
Das Prinzip Monochrom entspricht dem Ideal zurückhaltender Eleganz der Literatenkultur. Das gilt sowohl für die Tuschemalerei und Kalligrafie als auch für das Kunsthandwerk. Weiße Ding-Ware und grünlich-bläuliche Seladone der Song-Dynastie (960 –1279) sowie Porzellan und Glas der Qing-Dynastie (1644–1911) in tiefgründigen Farben lassen über Jahrhunderte hinweg eine Ästhetik aufleben, die seit dem frühen 20. Jahrhundert in Europa als revolutionär modern wahrgenommen wird. Den Farben wohnt dabei eine tiefe Bedeutung inne. Nach der Fünf-Elemente-Lehre (Wuxing) des Daoismus ist jedem Element jeweils eine Grundfarbe zugeordnet: Schwarz dem Wasser, Weiß dem Metall, Gelb der Erde, Rot dem Feuer und Qing (Grün-Blau, die nicht unterschieden werden) dem Holz.
Schrift und Bild als Einheit
Kalligrafie und Malerei gelten in China traditionell als Einheit (shu hua yi), weil sie gleichermaßen Pinsel, Tusche und Papier bzw. Seide nutzen. Auch die Handhaltung und die Einübung einzelner Pinselstriche, die Schrift und Bild entstehen lassen, gleichen sich bzw. bauen aufeinander auf. Da sich ein Pinselstrich in Tusche nicht korrigieren lässt, ist die unermüdliche Einübung einzelner Striche, Strichabfolgen und Kompositionsfragmente unabdingbar. Dies zeigt sich beispielhaft an den seit dem 16. Jahrhundert gedruckten Handbüchern für Malerei und Kalligrafie.
Material im Fokus
Der Raum Material im Fokus setzt einen Schwerpunkt auf das Kunsthandwerk der Ming-Dynastie (1368–1644), das vor allem durch die Blüte des Blauweiß-Porzellans bekannt ist. Zudem werden andere Materialien vorgestellt, die eigene Kunsthandwerksgattungen ausgeprägt haben: Jade ist gleichermaßen kostbar und schwer zu bearbeiten – das Material war von den neolithischen Kulturen bis in die Qing-Dynastie der Elite vorbehalten. Ähnlich aufwendig ist die Herstellung von Lackwaren, die in der Regel rot oder schwarz gehalten sind. Einen farbenfrohen Kontrast dazu bildet Cloisonné – darunter versteht man Emailarbeiten, bei denen Kupferstege das Ineinanderfließen der Farben verhindert.
Kunst der kaiserlichen Werkstätten
Die besten chinesischen Kunsthandwerker*innen waren traditionell für den Kaiserhof tätig. Herausragend in der Sammlung des MK&G ist nicht nur der Porzellanbestand der Qing-Dynastie aus den kaiserlichen Werkstätten im ostchinesischen Jingdezhen, sondern auch ein Teppich für den Kaiserpalast und großformatiges Cloisonné, das unter anderem als Ritualgerät in Tempeln diente.
Videoarbeit trifft traditionelle Malerei
Das China der Gegenwart wird reflektiert durch die Videoarbeit „Rising Mist“ (2014) von Yang Yongliang (* 1980) aus Hamburgs Partnerstadt Shanghai, welches der monumentalen Hängerolle „Sommerberge – Weite Ferne“ (1722) von Huang Ding (1660–1730) gegenübergestellt ist. Während die Landschaft als Sinnbild für eine stabile und harmonische Regierung in der Kangxi-Ära (1662–1722) gelesen werden kann, ist der aufziehende Nebel in Yang Yongliangs Video-Collage von Shanghai eher als Smog und Indiz für Umweltverschmutzung zu verstehen.
Präsentation auf Besucher abgestimmt
„Unsere Ausstellung haben wir auch auf unsere Besucherströme angestimmt. Ein Großteil der Besucher unserer Ostasien-Abteilung hatte sich zuvor eine Sonderausstellung angesehen und ist bereits mit vielen Eindrücken erfüllt. Diese möchten wir mit einer hellen, freundlichen Präsentation begrüßen und zunächst einfach auch wunderschöne Objekte zeigen. Dahinter erst steht unser Modulares Konzept, das viele Informationen und neue eindrücke über die chinesische Kunst vermittelt,“ erklärt Wibke Schrape, Kuratorin und Leiterin Sammlung Ostasien und Islamische Kunst. Das Museum für Kunst und Gewerbe hat viele sehenswerte weitere Objekte aus China im Depot. Regelmäßig werden Ausstellungs-gegenstände ausgetauscht und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, erklärt die Kuratorin. Daher lohnt sich ein mehrmaliger Besuch. Es gibt dabei viel zu entdecken.
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