3. Juni 2024
40 Jahre Partnerschaft mit Anhui / Wirtschafts- und Wissenschaftsbeziehungen werden weiter ausgebaut
„Gerade wenn das Verhältnis zwischen zwei Staaten nicht einfach und die geopolitische Lage herausfordernd ist und es in so manchen Bereichen unterschiedliche Interessen und Sichtweisen gibt, lohnt es sich miteinander zu reden“, erklärte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil in einer Mitteilung der Staatskanzlei vom Sonntag nach seiner Chinareise.
40 Jahre Partnerschaft mit Anhui
Im Mittelpunkt der fast einwöchigen Reise stand die Partnerschaft zwischen Niedersachsen und der Provinz Anhui. Die vom damaligen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht 1984 initiierte Partnerschaft feiert in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen. Mehr als 60 Millionen Menschen leben in der Region etwa 500 Kilometer nordwestlich von Shanghai. Mit dem Hochgeschwindigkeitszug ist die Provinzhauptstadt Hefei von Shanghai aus in weniger als zwei Stunden erreichbar.
Die chinesischen Gastgeber in der Millionenmetropole Hefei geben sich alle Mühe, dass sich die Niedersachsendelegation willkommen fühlt. Ganze Straßenzüge werden für die Gäste abgesperrt, eine Polizei-Eskorte mit Blaulicht lotst Weil und seine Delegation von Termin zu Termin. Der Parteisekretär von Anhui, Han Jun, lud zum festlichen Bankett mit kulturellen Einlagen. Weil besuchte mit der Delegation auch wissenschaftliche Einrichtungen und Unternehmen. Der Parteisekretär begleitete Weil auch bei einer Wanderung im Huangshan-Gebirge, einer der großen Touristenattraktionen Chinas.
„Anhui ist die treibende Kraft für Chinas Entwicklung", wirbt Han Jun für seine Provinz. Ministerpräsident Weil lobt die "Atmosphäre der Aufrichtigkeit" zwischen den Partnern. Harmonie statt Handelskrieg, melden die Medien. Per Vertrag besiegeln Han Jun und Stephan Weil, eine Vertiefung ihrer Zusammenarbeit. Die Binnenprovinz Anhui galt zu Beginn der Partnerschaft noch als rückständige, landwirtschaftlich geprägte Region. Jetzt boomt dort die Wirtschaft und die Provinz setzt auf Hightech und Zukunftstechniken. Das lockte auch Volkswagen nach Hefei, das dort sein Kompetenzzentrum für Elektroautos und Smart Cars errichtete.
China als Fitnessprogramm für Volkswagen
Daher stand auch diese Vorzeigefabrik auf dem Besuchsprogramm. Weil ist im Aufsichtsrat des teilstaatlichen VW-Konzerns als Vertreter des Anteilseigner Niedersachsen und weiß daher, dass die Wolfsburger Autobauer über viele Jahre den größten Teil ihrer Gewinne in China machten, das mit VW´s Hilfe zum größten Automarkt und Produzenten der Welt aufstieg. VW investiert in Hefei Milliarden, um auf dem chinesischen Markt wieder erfolgreicher zu sein. Volkswagen will in Hefei erreichen, dass neue Modelle schneller auf den Markt kommen. Die VW Tech-Company in Hefei entwickelte eine neue E-Plattform zur Produktion von Elektroautos, welche die Entwicklungszeiten neuer Modelle halbiert. Dies bietet gewaltige Einsparpotentiale und schnelle Reaktionen auf neue Marktnachfragen.
Die Volkswagen (Anhui) Automotive Company Limited wurde 2017 vom Volkswagen Konzern und der Anhui Jianghuai Automobile Co., Ltd. (JAC) gegründet und ist das erste Joint Venture des Konzerns in China, das sich ausschließlich auf Elektrofahrzeuge (NEV) spezialisiert hat. Im Dezember 2020 erhöhte VW seinen Anteil auf 75 %. An der Aktiengesellschaft JAC hält die Provinzregierung den größten Unternehmensanteil. JAC arbeitet auch intensiv mit NIO und Huawei zusammen. Vor Ort wird das weniger als Konkurrent gesehen, sondern als Voraussetzung, um in den neue entstehenden Industrieparks die Stärken bündeln zu können und damit bessere Wettbewerbspositionen zu bekommen.
Die Autos von Volkswagen sollen digitaler und vernetzter sein und besser den Geschmack der Chinesen treffen. In China sind in kürzester Zeit viele neue Elektroanbieter auf den Markt gekommen, die die etablierten Hersteller unter Druck setzen. Auch bei VW stehen die Zeichen daher auf mehr China, nicht auf weniger. Für Volkswagen, sagt der Ministerpräsident, könne China eine Art Trainingslager werden. Schneller und besser zu werden, sei für Volkswagen "Teil des Fitnessprogramms", so Weil. Delegationsteilnehmerin Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der IHK Hannover ergänzt: "China ist einfach ein Riesenmarkt. Wer hier überlebt, ist weltweit vorzeigbar." Die Trainingspartner für die deutschen Unternehmen werden immer mehr: Pro Tag, sagt der Parteisekretär Han Jun, gründen sich in der Provinz Anhui fünf neue, internationale Hightech-Unternehmen.
Shanghais Bürgermeister begrüßt Niedersachsen-Delegation
Vor seinem dreitägigen Aufenthalt in Anhui besuchte Weil die Metropole Shanghai, wo mit 28 Millionen Einwohnern dreieinhalb-mal mehr Menschen als in Niedersachsen mit 8 Millionen Einwohnern leben. Doch auch dort wurde die Delegation prominent vom Bürgermeister empfangen.
Die Delegation aus Niedersachsen besichtigte das Hauptquartier von Cosco Shipping, eine der größten Reedereien der Welt. Dabei ging es laut Staatskanzlei um eine intensivere Zusammenarbeit mit dem niedersächsischen Hafenstandort Wilhelmshaven. Der Jade Weser Port wird seit sieben Jahren von Cosco angesteuert. „Daraus kann man mehr machen,“ so Weil. Cosco macht dies jedoch auch von einer besseren Hinterlandanbindung und einer schnellen Vernetzung vor allem mit Bahn-Umschlagsterminals ab.
Weil: Mit China im Gespräch bleiben
"Es ist eine schlechte Option, nicht mehr miteinander zu reden", so Weil. "De-Risking" ist zwar das wirtschaftspolitische Gebot der Stunde. Es geht darum, einseitige Abhängigkeiten zu verringern. China ist dennoch entscheidender Handels- und Wirtschaftspartner von Niedersachsen, so Weil. "'De-Risking' heißt ja nicht, dass nicht mehr investiert werden kann." Oder anders ausgedrückt: Etwas mehr Vorsicht - aber ohne China geht es nicht. Teilnehmer der Wirtschaftsdelegation berichteten von neuen Chinaprojekten von neuen Vertragsvereinbarungen. Auch die Hauptgeschäftsführerin der IHK Hannover warnt davor, sich abzunabeln. "Den Fortschritt, den es in China gibt, dürfen wir als Exportnation nicht aus den Augen verlieren", sagt Bielfeldt. "Dafür sind wir ja auch hier, und die Gespräche laufen positiv."
Neue Weltwirtschaftsstruktur
Für Niedersachsen, als einer der wichtigsten Automobilstandorte Deutschlands, sind diese Beziehungen überlebenswichtig. Dabei geht es nicht nur um Wirtschaft und Unternehmen. Grundlegend ist auch die wissenschaftliche Zusammenarbeit, ist eine offene Ansiedlungspolitik für Zukunftstechnologien und eine vernetzte Logistik, welche der sich beschleunigten Entwicklungen der Märkte Rechnung trägt. Bei einer Exportquote des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland von 50 Prozent wird eine Abkoppelung in erster Linie der eigenen Wirtschaft schaden.
Text: ASIA MEDIA SERVICE
NDR Video. Weil: Niedersachsens Wirtschaft kommt an China nicht vorbei
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Thomas Kiefer. Anhui - Das ist Chinas neuer Innovations-Hotspot des Autobaus
Niedersächsische Staatskanzlei. Partnerschaft mit der Provinz Anhui (VR China)
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