20. Juni 2025
Der Wille zu regionaler Kooperation, zur weiteren Öffnung der Märkte und vertrauensbildender Zusammenarbeit lebt – in Zentralasien. Beim zweiten China-Zentralasien-Gipfel, der vom 16. bis 18. Juni in der kasachischen Hauptstadt Astana stattfand, wurden Projektvereinbarungen im Wert von 24 Milliarden Dollar unterzeichnet. Beim gleichzeitig stattfindenden G7-Gipfel in Kanada wurde dagegen erstmals kein Abschluss-Kommuniqué vorgelegt.
China und Asien setzen auf ein Gegenmodell zur Abschottungspolitik und nationalen Alleingängen. Nicht nur mit Zentralasien, auch mit den ASEAN-Ländern, Südkorea und Japan laufen Gespräche über Freihandel. Auch weitere Bereiche öffnen sich. China erlaubt jetzt die visafreie Einreise aus 47 Ländern. Auch weitere asiatische Länder setzen auf visafreie Einreise. Bei unserer Seidenstraßen-Reise war es einfach und ohne Formalitäten möglich, in alle besuchten Länder einzureisen. Dies belebt nicht nur den Tourismus, sondern auch Wirtschaft, Wissenschaftskooperationen oder den Kulturaustausch.
Zweiter China-Zentralasien-Gipfel
Beim zweiten China-Zentralasien-Gipfel in Astana kündigte China milliardenschwere Hilfen sowie neue Kooperationszentren an und festigte seine politische sowie wirtschaftliche Allianzen mit den fünf zentralasiatischen Staaten.
China und die zentralasiatischen Länder Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan werden ihre wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit vertiefen, dynamische und gegenseitig vorteilhafte Partnerschaften in Bereichen wie Landwirtschaft, Energie, Infrastruktur und natürliche Ressourcen aufbauen, so das chinesische Handelsministerium.
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit soll sich über den bisherigen Fokus auf Energie, Rohstoffe, Infrastruktur und Landwirtschaft hinaus auf neue Felder ausweiten. Wang Jinguo, Professor an der Lanzhou-Universität, erklärt, dass die Zusammenarbeit im digitalen Handel, nachhaltigen Wachstum und Dienstleistungshandel eine solide Grundlage für die zukünftig Entwicklung schaffe.
Nach Daten der chinesischen Zollverwaltung stieg das Handelsvolumen zwischen China und Zentralasien mit der Initiative Neue Seidenstraße von 312 Milliarden Yuan im Jahr 2013 auf 674 Milliarden Yuan im Jahr 2024; ein Plus von 116 Prozent. Die zentralasiatischen Länder exportieren vor allem Rohöl, Erdgas, Mineralien und Agrarprodukte nach China sowie Chemikalien, Metalle und Lebensmittel. Im Gegenzug exportiert China hauptsächlich Industrieausrüstung, Stahl, Fahrzeuge, Elektronik, Textilien, Haushaltsgeräte, Baumaterialien, medizinische Geräte und Konsumgüter in diese Länder. Augenfällig sind die großen Exportprojekte für grüne Energie. Zudem werden durch chinesische Firmen Industrieparks in der Region gebaut. Die Wirtschaftsbeziehungen entwickeln sich weg von reinen Handelsbeziehungen. Schwerpunkte der künftigen Zusammenarbeit sind Infrastruktur, Sicherheit und die Balance auf einem geopolitisch umkämpften Spielfeld zwischen EU, Russland und den USA.
Sicherheitspartnerschaft
Dieses Konzept einer harmonischen Sicherheitspartnerschaft unterscheidet sich grundlegend von dem auf wirtschaftlicher und militärischer Überlegenheit beruhenden westlichen Sicherheitskonzept. Nicht nur in China, auch in Zentralasien besteht die Idee einer harmonischen Gesellschaft, einer auf internationalen Recht basierenden Weltgemeinschaft. Angesichts der gegenwärtigen internationalen Lage, die von Unsicherheit und Umbrüchen geprägt sei, forderte Chinas Ministerpräsident Xi Jinping in Astana, dass das internationale System mit den Vereinten Nationen als Kern sowie die auf dem Völkerrecht basierende internationale Ordnung verteidigt wird. Er sprach sich für echten Multilateralismus und dafür aus, die gemeinsamen Interessen der Entwicklungsländer aktiv zu vertreten.
China-Zentralasien-Geist
Die chinesische Onlineplattform china.org.cn beschreibt diese Konzept folgendermaßen: Im Laufe der praktischen Zusammenarbeit haben China und die zentralasiatischen Länder gemeinsam den „China-Zentralasien-Geist“ entwickelt und geprägt. Dieser ist gekennzeichnet durch gegenseitigen Respekt, gegenseitiges Vertrauen, gegenseitigen Nutzen und gegenseitige Unterstützung sowie durch das gemeinsame Streben nach Modernisierung durch hochwertige Entwicklung.
Angesichts tiefgreifender Umbrüche in der Welt kann nur durch ein festes Bekenntnis zu Gerechtigkeit und das Streben nach gegenseitigem Nutzen könne der Weltfrieden gewahrt und gemeinsame Entwicklung erreicht werden. Zoll- und Handelskriege haben keine Gewinner, und Unilateralismus, Protektionismus sowie Hegemonie schadeten letztlich allen, so Xi in Astana.
China vertritt konsequent die Auffassung, dass die Geschichte nicht zurückgedreht, sondern vorangebracht werden muss. Die Welt darf nicht gespalten, sondern muss geeint werden. Die Menschheit dürfe nicht zu den Gesetzen des Dschungels zurückkehren, sondern solle eine Gemeinschaft mit geteilter Zukunft aufbauen.
Zunächst muss der ursprüngliche Geist der Einheit auf Grundlage gegenseitigen Vertrauens und beständiger Unterstützung entschlossen bewahrt werden. Zweitens soll die Zusammenarbeit durch eine praxisorientierte, effiziente und tiefgreifend integrierte Kooperationsstruktur weiter optimiert werden. Drittens soll gemeinsam ein friedliches und stabiles Sicherheitsumfeld geschaffen werden, in dem sich die Länder in Solidarität gegenseitig beistehen. Viertens ist es notwendig, die zwischenmenschlichen und kulturellen Verbindungen zu stärken, um Verständnis, Verbundenheit und ein starkes Gemeinschaftsgefühl zu fördern. Und fünftens muss eine gerechte, ausgewogene, gleichberechtigte und geordnete internationale Ordnung konsequent gewahrt und weiterentwickelt werden.
Xi erinnerte in Astana daran, dass in diesem Jahr der 80. Jahrestag des Sieges im Widerstandskrieg des chinesischen Volkes gegen die japanische Aggression und im antifaschistischen Weltkrieg sowie die Gründung der Vereinten Nationen begangen werde. Er rief dazu auf, ein korrektes Verständnis der Geschichte zu fördern, die Errungenschaften des Weltfriedens zu verteidigen und das internationale System mit den Vereinten Nationen als Kern zu stärken, um mehr zur Stabilität und Sicherheit in der Welt beizutragen. Abschließend bekräftigte Xi den Willen Chinas, gemeinsam mit den zentralasiatischen Ländern den China-Zentralasien-Geist weiterzutragen, das Ziel der Gemeinschaft mit geteilter Zukunft fest im Blick zu behalten und die China-Zentralasien-Zusammenarbeit kontinuierlich zu vertiefen.
Soviel zu dem Konzept des China-Zentralasien-Geist. Zum Verständnis dieser Kooperationsform hat unsere Seidenstraßen-Reise viel beigetragen. Dabei war zu sehen: Das Konzept wird nicht einseitig von China vorgegeben. Zentralasien bringt dazu seine eigenen Vorstellungen einer harmonischen Gesellschaft, einer harmonischen Weltordnung ein.
Tashkent International Investment Forum
Wirtschaftliches Wachstum, mehr Wohlstand und damit Ressourcen für besseren Umweltschutz: Das möchte auch Usbekistan. Die Öffnung und internationale Kooperationen zeigten dort beeindruckende Ergebnisse. Usbekistans Wirtschaft hat sich innerhalb von acht Jahren verdoppelt, und das Land positioniert sich als Zentrum für grüne Energie und digitale Konnektivität. China ist wichtigster Handelspartner. Doch auch Wirtschaftskooperationen mit arabischen oder osteuropäischen Ländern nehmen zu. Die traditionellen Industrieländer verlieren dagegen an Einfluss.
Ausländische Investitionen in Usbekistan wachsen schnell. Im Jahr 2024 verzeichnete das Land einen Anstieg von über 60 Prozent auf 34,9 Milliarden Dollar, wie ein vom Ministerium für Investitionen, Industrie und Handel (MIIT) der Republik Usbekistan veröffentlichter Bericht mitteilte. Es wird erwartet, dass die internationalen Investitionen in dem Land im Jahr 2025 42 Milliarden Dollar erreichen werden, da die Dynamik zunimmt.
Beim vierten Tashkent International Investment Forum (TIIF) diskutierten wenige Tage vor dem Zweiter Zentralasiengipfel mehr als 8.000 Teilnehmende aus 97 Ländern über die wirtschaftliche Zukunft Usbekistans und Zentralasiens. Die auf dem Forum unterzeichneten Vereinbarungen beliefen sich auf insgesamt 30,5 Milliarden US-Dollar.
G7 oder G6?
Etwa zeitgleich mit dem Zweiter Zentralasiengipfel fand der G7-Gipfel statt. Hier war weniger von Harmonie, Geschlossenheit und vertrauensbildenden Maßnahmen zu hören. In einer Arbeitssitzung auf dem Gipfeltreffen im kanadischen Kananaskis erklärte die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, Peking halte sich weitgehend nicht an das regelbasierte internationale System. Während andere ihre Märkte öffneten, konzentriere sich China darauf, den Schutz geistigen Eigentums zu untergraben und massive Subventionen einzusetzen. Dies sei kein fairer Wettbewerb, sondern gezielte Marktverzerrung, die der Industrie in allen G7-Staaten schade. Mit Blick auf die US-Zollpolitik fügte von der Leyen hinzu, Trump habe in dem Punkt recht, dass das aktuelle globale Handelssystem nicht funktioniere, wie es sollte. Das liege aber nicht am Handel zwischen den G7-Partnern, sondern am Agieren Chinas.
In dieser Argumentation zeigt sich die Übereinstimmung im Denken und Handeln von Trump und von der Leyen. Die Zölle auf Elektroautos aus China beispielsweise entspringen dem gleichen Geist wie die Zölle der USA, welche den Welthandel beschädigen. Aus einer vermeintlichen Vorherrschaft wird mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen. Beispiel Subventionen: Die gewaltigen Subventionen des EU-Agrarsektors zerstörten besonders in den armen Entwicklungsländern weite Teile der traditionellen Landwirtschaft. Die Probleme kommt weniger von China, sondern aus den USA. Mit dieser Kritik lenkt die EU-Präsidentin lediglich von dem eigenen Versagen eine funktionierende Industriepolitik zu betreiben oder den notwendigen ökologischen Umbau der Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben ab.
Die Politik lobte den Gipfel und kam Trump im Zuge vorauseilenden Gehorsams entgegen. „Dieser G7-Gipfel ist weitaus erfolgreicher, als ich es am Anfang gedacht habe“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).
Doch die westliche Gemeinschaft gibt es nicht mehr. „Das Treffen der sieben wichtigsten Industrienationen zeigt, dass es die westliche Wertegemeinschaft nicht mehr gibt. Bei Donald Trump verkommt alles zur reinen Schau“, so die Bilanz zum Gipfel im „Spiegel“. „Einige Teilnehmer verbuchen bereits als Erfolg, dass die Gruppe der führenden Wirtschaftsmächte nicht vollends auseinanderfliegt,“ berichte das „Manager Magazin“.
Erstmals gab es kein gemeinsames Abschluss-Kommuniqué. So umging man mögliche Divergenzen mit dem US-Präsidenten. Stattdessen wurde eine „Chair‘s Summary“ veröffentlicht, also ein Bericht der gastgebenden kanadischen Regierung. Im ersten Teil wurde China namentlich nicht erwähnt, aber jeder wusste, dass China in folgender Passage gemeinte war: „Die Staats- und Regierungschefs verpflichteten sich, ihre Volkswirtschaften vor unfairen, nicht marktwirtschaftlichen Maßnahmen und Praktiken zu schützen, die Märkte verzerren und Überkapazitäten auf eine Weise fördern, die für Arbeitnehmer und Unternehmen schädlich ist.“
Später wurde China mit Namen genannt, allerdings im Zusammenhang mit weithin alten Formulierungen. Hier ein Auszug: „Die Staats- und Regierungschefs betonten die Bedeutung eines freien, offenen, prosperierenden und sicheren Indopazifik, der auf Rechtsstaatlichkeit basiert, und erörterten die wachsende wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Region. Sie betonten die Bedeutung konstruktiver und stabiler Beziehungen zu China und forderten China auf, Marktverzerrungen und schädliche Überkapazitäten zu vermeiden,“ so „ChinaTable“.
Recht des Stärkeren?
Sicherlich gibt es bei der Wirtschaftsbeziehungen der EU mit China Probleme. Aber diese sollten im Dialog und mit wirtschaftlichen und technologischen Sachverstand gelöst werden. Die EU setzt jedoch eher auf die Macht des vermeintlich stärkeren – die sie jedoch ohne die USA gegenüber dem Rest der Welt nicht mehr ist. Derweil verabschiedet sich die USA immer weiter von einen regelbasierten internationalen System. Der Eintritt der USA in den Krieg gegen den Iran ist dafür ein weiterer Schritt.
Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Medwedew, erklärte, Präsident Trump habe einen neuen Krieg eröffnet. Aus dem chinesischen Außenministerium in Peking hieß es, die US-Angriffe verletzten die Charta der Vereinten Nationen. Pakistan wies darauf hin, die Attacken verstießen gegen alle Normen des Völkerrechts. Scharfe Kritik am Eingreifen der USA kam zudem von Seiten der Europäischen Union, berichtet der „Deutschlandfunk“.
China beliebter als die USA
Die Folge dieser westlichen Politik: wir werden im Rest der Welt immer unbeliebter, verlieren die Vorbildfunktion. Meinungsumfragen in 41 Ländern zeigen, dass die Beliebtheit der USA seit der Machtübernahme Trumps stark eingebrochen ist. Nach knapp fünf Jahren liegt China erstmals vor den Vereinigten Staaten.
Das US-amerikanische Unternehmen Morning Consult, das sich auf Unternehmensanalysen und weltweite Umfragen spezialisiert hat und dabei unter anderem regelmäßig mit der „New York Times“ kooperiert, untersucht seit Herbst 2020 in 41 Ländern weltweit täglich die öffentliche Meinung zu China und den USA. Demnach ist China jetzt erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen beliebter als der Rivale. Das Phänomen lässt sich auch in Ländern beobachten, die den USA bislang wirtschaftlich und militärisch eng verbunden sind. Dies steht im Gegensatz zu dem Selbstbild vieler Politiker im Westen.
Freihandel versus Zollmauern
Dabei bezieht sich diese Veränderung nicht nur auf Chinas Nachbarländer. Sie ist global und wird dadurch hervorgerufen, das China der Entwicklung des globalen Südens hilft, durch teilweise einfache aber wirkungsvolle Maßnahmen.
Die chinesische Regierung hat im Juni angekündigt, alle Einfuhrzölle für afrikanische Volkswirtschaften aufzuheben. Die USA hatten im Gegensatz dazu erst kürzlich höhere Zölle für den Kontinent angekündigt. Jacob Gunter, Leiter des Programms Wirtschaft und Industrie: „Die USA haben am ‚Liberation Day‘ viel Sympathie in Afrika verloren, als Trump einige der ärmsten afrikanischen Staaten beschuldigte, die USA ‚auszunehmen‘. China stellt nur wenige Bedingungen. Die Abschaffung aller Zölle wird nun den Handel zwischen Afrika und China sowie die Position Beijings stärken.“
Die EU und insbesondere Deutschland könnten sich an diesen globalen Wirtschaftskooperationen und Öffnung der Märkte beteiligen. Nicht gegen China, sondern zusammen mit den meisten Ländern der Welt könnten die zerstörerischen und wohlstandsvernichtenden Angriffe des US-Präsidenten auf die Weltwirtschaft eingedämmt werden. Weder die USA noch China sind die Stärksten, sondern die Stärke der Welt und die Lösungen der Zukunftsprobleme kommen durch eine regelbasierte Weltgemeinschaft.
ASIA MEDIA SERVICE, Dr. Thomas Kiefer
Tageszentrum Palast des Friedens und der Versöhnung, Astana. Foto: Thomas Kiefer
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