Kasachstan will wirtschaftliche Abhängigkeit von Erdöl überwinden

25. Mai 2025

Bei der Diversifizierung setzt Kasachstan auf einen Ausbau des verarbeitenden Gewerbes. Die guten Perspektiven einiger Industrien dürften auch mehr deutsche Unternehmen anlocken.

Kasachstan ist mit 2,7 Millionen Quadratkilometern der neuntgrößte Flächenstaat der Erde. Derzeit leben in der zentralasiatischen Republik rund 20 Millionen Menschen. Mit den Nachbarländern Russland und China ist sie wirtschaftlich am stärksten verflochten. Die traditionell enge Bindung an Russland birgt insbesondere im aktuellen Kontext jedoch auch beträchtliche Risiken. Für Deutschland ist das Land wichtigster Handelspartner in der Region Zentralasien.

Für Kasachstan ist sein Rohstoffreichtum ebenso bedeutsam wie die geografische Lage, die das Land zu einer wichtigen Drehscheibe für Warenströme zwischen Ost und West macht. Ein bereits seit längerer Zeit angestrebter Strukturwandel kommt nur recht langsam voran. Dieser zielt vor allem auf einen deutlichen Ausbau der verarbeitenden Industrie ab, um die starke Abhängigkeit vom Erdöl zu reduzieren.

Daneben strebt Kasachstan eine schrittweise Abkehr von fossilen Energieträgern an. Das Land will bis 2060 klimaneutral sein. In der kasachischen Steppe herrschen guten Bedingungen, um grünen Strom aus Wind- und Solarenergie zu erzeugen. Mit diesem soll perspektivisch auch grüner Wasserstoff für Abnehmer im In- und Ausland produziert werden. Der große Durchbruch lässt aber weiter auf sich warten.

Starke Stellung bei Rohstoffen birgt auch Risiken

Der Rohstoffsektor dominiert Kasachstans Wirtschaft. Den Schwerpunkt der Bergbauaktivitäten bildet die Ölförderung. Zusammen mit Erdgas macht ihr Beitrag an den Gesamtausfuhren mehr als 55 Prozent aus. Nahezu 80 Prozent des im Land geförderten Öls werden exportiert. Die Ölförderung samt vor- und nachgelagerten Industrien steht für ein Fünftel des BIP.
Größere Teile der staatlichen Einnahmen aus dem Ölsektor fließen neben der Finanzierung laufender Ausgaben auch in den kasachischen Nationalfonds. Dieser soll zwar hauptsächlich als Rücklage für künftige Generationen dienen. Gerade in Krisenzeiten nutzt der Staat ihn auch als Notreserve für Sonderausgaben.

Eine wichtige Rolle im kasachischen Bergbau spielt zudem der Abbau zahlreicher Erze und von Kohle. Während die Kohle größtenteils selbst verbraucht wird, exportiert das Land die zumeist metallhaltigen Erze in Form von Konzentraten und fertigen Metallen. Als bedeutsam gelten Blei, Chrom, Eisen/Stahl, Gold, Kupfer, Mangan und Zink. Weltweit an erster Stelle liegt Kasachstan beim Abbau und Export von Uran.

Gleichwohl bleibt die Wirtschaft wegen ihrer hohen Rohstoffabhängigkeit anfällig für Konjunkturschwankungen, ausgelöst durch niedrige Weltmarktpreise für Rohstoffe. Auf der Agenda steht daher seit längerem eine stärkere Diversifizierung, deren erhoffter Durchbruch bislang aber noch aussteht. Als wohl größter Erfolg dieser Strategie gilt die expandierende Kfz-Industrie. Dort hatte bislang die Montage importierter Bausätze dominiert. Um die lokale Fertigungstiefe schrittweise zu erhöhen, wird mittlerweile auch eine Zulieferindustrie aufgebaut.

Diversifizierung als Rezept gegen Rohstoffabhängigkeit

Der gezielte Auf- und Ausbau auch in anderen Sparten des verarbeitenden Gewerbes soll Kasachstan mittel- bis langfristig zu mehr wirtschaftlichen Standbeinen verhelfen. Angestrebt wird, dass die so produzierten Waren nicht nur den einheimischen Markt versorgen, sondern auch in den Export gehen. Zu weiteren Hoffnungsträgern mit zählen die Landwirtschaft und die Transportbranche. Hinzu kommen der Tourismus sowie Finanzdienstleistungen mit dem Astana International Financial Centre (AIFC) als Finanzhub für den zentralasiatischen Raum.

Bislang dominieren die Erst- und Weiterverarbeitung von Rohstoffen das verarbeitende Gewerbe. Dessen Gesamtproduktionswert bestreitet allein die Metallindustrie mit etwa 40 Prozent. Davon entfallen rund zwei Drittel auf Nichteisenmetalle, der Rest auf Eisen und Stahl. Dahinter beläuft sich der Beitrag der Nahrungsmittel- und Getränkeherstellung auf etwa 15 Prozent. Insbesondere in der Fleisch- und Milchverarbeitung strebt Kasachstan einen starken Kapazitätsausbau an.

Im Dienstleistungssektor ist der Groß- und Einzelhandel die wichtigste Sparte. Da erwartet wird, dass die Einkommen der Bevölkerung weiter steigen, dürfte dieser Bereich seine Position auch in Zukunft weiter festigen. Dahinter rangiert das Transportgewerbe, das angesichts der Funktion Kasachstans als eine der zentralen Handelsdrehscheiben zwischen Europa und Asien als besonders zukunftsträchtig gilt. Der Ausbau von Kapazitäten für den Straßen- und Schienenverkehr ist im Gang.

Ölregion Atyrau und Millionenstädte Astana und Almaty geben den Ton an

Almaty ist Kasachstan Wirtschaftszentrum mit den Schwerpunkten Handel und Finanzen. Dank gezielter Förder- und Ansiedlungsmaßnahmen holt die Hauptstadt Astana auf. Als bedeutendste Ölregion erzielt das Gebiet Atyrau landesweit das höchste BIP pro Kopf. Weitere Zentren der Öl- und Gasförderung sind die Gebiete Mangystau und Westkasachstan. Über größere Vorkommen metallischer Erze verfügen die Gebiete Ostkasachstan, Aktobe, Pawlodar, Turkestan und Kostanai, wo die Erze häufig auch aufbereitet und verarbeitet werden.

Steinkohle wird vorrangig in den Gebieten Karagandy und Pawlodar abgebaut, was sie auch zu bedeutenden Stromerzeugern macht. Das Land verfügt über drei Großraffinerien in Atyrau, Pawlodar und Schymkent. Schwerpunkte der Nahrungsmittelproduktion sind die Stadt Almaty sowie die Gebiete Almaty und Kostanai. Als relativ neuer Industriezweig verfügt der Fahrzeugbau über größere Werke zur Pkw-Montage in Kostanai und Almaty.

Die in Kasachstan getätigten ausländischen Direktinvestitionen schwanken in den letzten Jahren. Während im Jahr 2022 in dieser Hinsicht mit rund 6,5 Milliarden US-Dollar (US$) der höchste Wert seit Jahren erreicht wurde, halbierten sich die Zuflüsse laut kasachischer Zentralbank 2023 auf nur gut 3,2 Milliarden US$. Die deutschen Direktinvestitionen in Kasachstan zogen nach einem schwächeren Vorjahr wieder auf 174 Millionen US$ an. Kumuliert stammten Ende 2023 rund 1,2 Milliarden US$ Direktinvestitionen aus Deutschland, so die kasachische Zentralbank.

Öl und Bergbau stehen bei ausländischen Investoren hoch im Kurs

Insgesamt haben ausländische Akteure mittlerweile mehr als 157 Milliarden US$ in Kasachstan investiert. Hauptherkunftsländer sind die Niederlande, die USA, Frankreich, China und Russland. Die Ölförderung sowie andere Bereiche des Bergbaus gelten als wichtigste Zielbranchen, die mehr als drei Viertel aller ausländischen Direktinvestitionen in Kasachstan auf sich vereinen. Die Spitzenstellung der Niederlande ist auf die dort registrierten Holdingstrukturen international agierender Konzerne zurückzuführen, die auch in Kasachstans Rohstoffsektor aktiv sind.

Deutsche Investitionen setzen "grüne" Akzente

Größere deutsche Engagements sind vor allem in der Baustoffindustrie zu finden. Auch der Ausbau erneuerbarer Energien in Kasachstan zieht Investitionen aus der Bundesrepublik an. Zu den Vorreitern aus Deutschland gehört das Unternehmen Goldbeck Solar, das Bau und Betrieb von zwei großen Solarparks mit insgesamt 175 Megawatt Leistung im Gebiet Karagandy verantwortet.

Zudem steht das Großprojekt Hyrasia One eines deutschen Projektentwicklers in den Startlöchern. Dabei ist der Bau von Wind- und Solaranlagen mit einer Nennleistung von rund 40 Gigawatt geplant, um ab etwa 2032 bis zu 2 Millionen Tonnen grünen Wasserstoffs pro Jahr zu produzieren. Die Svevind Energy Group beziffert als Initiator des Vorhabens den Investitionsbedarf für Hyrasia One auf etwa 50 Milliarden US$.

Der größte Teil der vielfältigen Maßnahmen zur Investitionsförderung spricht in Kasachstan einheimische Unternehmen und solche mit ausländischer Beteiligung gleichermaßen an. Im Mittelpunkt stehen verschiedene Arten von Investitionsvereinbarungen mit der öffentlichen Hand. Wichtige Anlaufstelle für ausländische Investoren ist die staatliche Agentur Kazakh Invest. Sie bietet eine umfassende Betreuung vor allem für Vorhaben, die ein Investitionsvolumen von 50 Millionen US$ und mehr umfassen. Bei diesen Großprojekten winken im Rahmen individueller Übereinkünfte erhebliche Erleichterungen steuerlicher Art und Vergünstigungen bei den Zollabgaben.

Darüber hinaus gibt es Projekte mit Vorrangstatus: Das Ziel ist hier, gänzlich neue Industriezweige in Kasachstan zu etablieren. Im Rahmen dieser Vorhaben ist die Errichtung neuer Produktionsstätten sowie Ausbau oder Modernisierung bestehender Kapazitäten förderfähig. Die Laufzeit verschiedener Steuervergünstigungen bewegt sich zwischen acht und zehn Jahren. Für einfache Investitionsprojekte sind nur Zollbefreiungen für fünf Jahre, aber keine steuerlichen Präfenzen vorgesehen.

Sonderwirtschaftszonen dienen als Standort für Branchencluster

Verschiedene Steuervergünstigungen winken zudem in derzeit 13 Sonderwirtschaftszonen mit jeweiligen Branchenschwerpunkten. Ihr spezieller Status gilt zunächst für 25 Jahre, den die Regierung verlängern kann. Investoren in Sonderwirtschaftszonen zahlen keine Umsatz-, Körperschaft-, Vermögen- und Grundsteuer. Auch fallen Zollgebühren dort weg. Vereinzelt erfolgt in Sonderwirtschaftszonen auch eine Befreiung von der Sozialsteuer und/oder von sämtlichen Zollzahlungen. Darüber hinaus gelten vorteilhafte Abschreibungsregeln. Hinzu kommt ein vereinfachtes Verfahren für die Beschäftigung ausländischer Fachkräfte.

Quelle und ausführliche Daten: gtai


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