8. Mai 2025
Nicht China, sondern die chinesischen Provinzen sind die zukünftige Herausforderung für die globale Automobilindustrie. China hat mehr als dreimal so viele Einwohner wie die EU, und mit der Modernisierung und dem wirtschaftlichen Aufstieg haben manche Provinzen eine höhere Wirtschaftsleistung als die meisten EU-Staaten. Chinas zentraler Industrialisierungsplan mag zwar wirkungsvoller sein als die EU-Industriepolitik. Doch gibt er lediglich einen Rahmen, in dem die Provinzen hart um Investitionen kämpfen. Der „China-Speed“ hat so zwei große marktwirtschaftliche Triebkräfte: die harte Konkurrenz der Unternehmen untereinander und den intensiven Wettbewerb der verschiedenen Provinzen um die besten Bedingungen für Industrieprojekte.
Viele Europäer wissen nicht, wo die chinesische Binnenprovinz Henan liegt. Dabei hat sie mit 100 Millionen Einwohnern eine größere Bevölkerung als jedes Land der EU. Günstige Kosten, grüne Energie und Hightech-Industrieparks ziehen dort neue Unternehmen an.
Die Provinzregierung von Henan gab 2022 Richtlinien zur Beschleunigung der Entwicklung von NEV-Produktionswerken heraus. Die Branche mit großen Produzenten, Entwicklungszentren, Bildungseinrichtungen und Zulieferern wird schwerpunktmäßig im Großraum Zhengzhou angesiedelt. Die Provinzregierung strebte zunächst die Produktion von zwei Millionen Fahrzeugen, darunter 1,4 Millionen NEVs (New Energy Vehicle) an. Die wichtigsten Produzenten sind BYD, SAIC Motor, Chery, Zhengzhou Nissan und Yutong. Foxconn, das in Zhengzhou bis zu 200.000 Mitarbeiter beschäftigt, steigt ebenfalls ins Automobilgeschäft ein. Nach offizielle Daten ist die NEV-Produktion in Zhengzhou 2024 um 98 Prozent gewachsen, einer der höchsten Werte in China.
BYD Zhengzhou
Wang Chuanfu, der Gründer von BYD, kennt Zhengzhou von seinem Studium an der Central South University of Technology in Henan. Dort könnte das größte Autowerk der Welt entstehen. Doch nicht die reine Größe zählt, sondern Effektivität und funktionale Produktionsabläufe. Was BYD jedoch nicht beeinflussen kann, ist der Markt, der nicht grenzenlos wächst. Doch BYD plant langfristig.
Anfang Februar stellte die BYD-Niederlassung in Zhengzhou 60.000 Mitarbeiter ein, von denen mehr als 90 Prozent aus Zhengzhou oder umliegenden Regionen kommen. Das Werk, das die größte zusammenhängende Produktionsstätte des Unternehmens ist, produzierte 2024 bereits 545.000 NEVs, was einem Anstieg von 169,8 Prozent zum Vorjahr entspricht.
Das neue BYD-Werk ist in den Logistik-Hightech-Park am Flughafen integriert. Effiziente Logistik bestimmt auch das BYD-Werk. Die Mitarbeiter werden mit einer futuristischen Einschienenbahn, der Yunba-Linie, transportiert, welche auch den Werksverkehr vereinfacht.
SAIC-Motor
Zhengzhou ist auch zu einem wichtigen Standort für SAIC-Motor, geworden. Im August 2024 lief dort das zweimillionste Fahrzeug von SAIC Zhengzhou vom Band.
Im Oktober letzten Jahres nahm SAIC Motors Werk für NEV-Batterien, in das zwei Milliarden Yuan (rund 278,92 Millionen US-Dollar) investiert wurden, die Produktion mit einer Kapazität von 300.000 Batterien auf.
Foxconn
Foxconn, der weltgrößte Hersteller elektronischer Produkte und Zulieferer von Apple, hat Anfang 2024 in Henan ein Unternehmen für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben gegründet. Ebenso wie Huawei setzt der Elektronikriese in erster Linie auf Kooperationen und Zulieferungen aus dem Elektronikbereich.
Foxconn ist auch selbst aktiv an der Entwicklung von Elektrofahrzeugen beteiligt, sowohl unter seiner eigenen Marke Foxconn als auch durch Kooperationen mit anderen Unternehmen wie beispielsweise dem Joint Venture mit dem saudi-arabischen Staatsfonds PIF zur Herstellung von Elektroautos unter der Marke Ceer. Ein weiteres Beispiel für Foxconns Engagement in der Automobilindustrie ist die Übernahme eines ehemaligen General-Motors-Werks von Lordstown Motors im Jahr 2022.
Foxconn möchte eine offene Plattform für die Elektrofahrzeugindustrie schaffen, die als "Android-System" für die EV-Herstellung dienen soll. Das Unternehmen arbeitet mit verschiedenen Partnern zusammen, um ein softwaredefiniertes Ökosystem für die Automobilindustrie zu entwickeln, das auf offenen Standards basiert. Foxconn kooperiert mit NVIDIA, um hochautomatisierte und autonome Fahrzeugplattformen zu entwickeln, die auf der NVIDIA-DRIVE-Plattform basieren.
Foxconn hatte bereits im Rahmen seiner Strategie zur Ausweitung seiner Präsenz im Automobilmarkt eine mögliche Übernahme von Nissan-Aktien von Renault, dem größten Anteilseigner des Unternehmens, geprüft. Foxconns Vorstandsvorsitzender Young Liu betonte jedoch, dass das Ziel des Unternehmens nicht eine Übernahme, sondern eine Kooperation sei. Anstatt eine eigene Automarke aufzubauen, will Foxconn ein führender Auftragshersteller von Elektrofahrzeugen werden und damit sein erfolgreiches Modell in der Unterhaltungselektronik widerspiegeln.
Foxconn hatte jedoch trotz der erfolgreichen Einführung von Elektrobussen und -Fahrzeugen in Taiwan Schwierigkeiten, in internationale Märkte vorzudringen. Viele der in den USA ansässigen Elektroauto-Start-ups, die Foxconn als Kunden im Auge hatte, hatten Schwierigkeiten oder sind gescheitert. Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass Foxconn sein ursprüngliches Ziel, bis 2025 einen Marktanteil von 5 Prozent am globalen Elektroautomarkt zu erzielen, erreichen wird. Die Zusammenarbeit mit etablierten Automobilherstellern wie Honda und Nissan könnte jedoch die nötige Glaubwürdigkeit und Größe verleihen, um Foxconns Position zu stärken.
Der Frontier Pro PHEV ist ein strategisches neues Modell von Zhengzhou Nissan. Es ist Nissans erstes globales Pick-up-Modell, das in China konzipiert, entwickelt und produziert wird. Er wurde gemeinsam vom chinesisch-japanischen Forschungs- und Entwicklungsteam entwickelt. Der intelligente Elektro-Hybrid-Pick-up Frontier Pro PHEV von Zhengzhou Nissan mit seiner bahnbrechenden Dreifaltigkeit aus „Hardcore-Genen, intelligenter Technologie und grenzüberschreitender Expansion“ feierte auf der Shanghai Auto Show ein starkes Debüt und seine Weltpremiere. Die Einführung des Frontier Pro PHEV läutete nicht nur das Elektrohybrid-Zeitalter von Zhengzhou Nissan ein, sondern markierte auch einen weiteren Meilenstein in Nissans Transformationsprozess hin zu neuen Energien, so Nissan.
Yutong – Weltgrößter Bushersteller
Die Zhengzhou Yutong Group Co., Ltd. ist der weltweit größte Hersteller von Bussen. Die Ursprünge von Yutong gehen auf die 1963 gegründete Busreparaturfabrik in Zhengzhou zurück. Zhengzhou Yutong Bus Co., Ltd. wurde 1993 gegründet, im März 1997 wurde Yutong als erstes Busunternehmen Chinas an der Schanghaier Börse notiert. Im folgenden Jahr investierte Yutong 400 Millionen Yuan (ca. 50 Millionen US-Dollar) in den Yutong-Industriepark in Zhengzhou, der damals die größte Busfabrik Asiens war.
Das Hauptwerk erstreckt sich über eine Fläche von 1,12 Millionen Quadratmetern. Das 2012 in Betrieb genommene „New Energy“-Werk von Yutong Bus erstreckt sich über eine Fläche von über 1,33 Millionen Quadratmetern und verfügt über eine jährliche Produktionskapazität von 30.000 Bussen und Reisebussen. Im Januar 2025 lag die maximale Batteriekapazität bei 630 kWh.
In China fahren 99 Prozent der neu zugelassenen Busse elektrisch. Davon ist Deutschland noch weit entfernt. Im Jahr 2024 ist der Markt für Elektrostadtbusse in Europa (einschließlich Großbritannien) gegenüber 2023 um 22 Prozent gewachsen und erreichte die Zahl von 7.779 Zulassungen (Fahrzeuge über 8 t) – trotz rückläufiger Zahlen in Deutschland.
Marktführer in Europa im Jahr 2024 war Yutong, dessen Zulassungen auf 1.092 Elektrobusse gestiegen sind – gegenüber 483 im Jahr 2023. Dieser starke Anstieg hat den chinesischen Hersteller auf einen Marktanteil von 14 Prozent in Europa katapultiert, ein beachtlicher Sprung nach 7,6 Prozent im Vorjahr.
Das jährliche Gesamtabsatzvolumen von Yutong erreichte 46.918 Einheiten – eine Steigerung von 28,48 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders in Schwellenländern ist Yutong sehr erfolgreich. Die Auslandsstrategie setzt auch auf ein weltweites Netzwerk von Montagewerken.
Yutong begann 2012 eine zehnjährige strategische Partnerschaft mit CATL. Im August 2022 haben beide Unternehmen in Zhengzhou, dem Hauptsitz von Yutong, einen neuen Rahmenvertrag über eine weitere zehnjährige Zusammenarbeit vereinbart.
Chery in Kaifeng
Nicht nur Zhengzhou möchte ein Zentrum für smarte Elektroautos werden. 77 Kilometer östlich der Provinzhauptstadt liegt Kaifeng, mit fast fünf Millionen Einwohnern ebenfalls ein wichtiger Wirtschaftsstandort. Einerseits konkurrieren beide Städte um Industrieansiedlungen, arbeiten jedoch auch eng im „Zhengkai Automobile Industry Belt“ zusammen.
In den letzten Jahren nutzte Kaifeng die Vorteile des „Zhengkai Automobile Industry Belt“ und der Pilot-Freihandelszone, um Industrieketteninvestitionen rund um führende Unternehmen wie Chery, Haima und BYD zu fördern, so die Stadtregierung Kaifeng. Zahlreiche Branchenführer wie Sumitomo Electric, Hesteel Group und Yangzhou Yapu sowie fast 100 Automobil- und Zulieferunternehmen haben sich angesiedelt. Im vergangenen Jahr erreichte die Automobil- und Zulieferindustrie in Kaifeng einen Produktionswert von fast 20 Milliarden Yuan.
Wichtigster Produzent ist Chery, Chinas größter Autoexporteur. Chery Automobile Henan Co., Ltd. ist ein Tochterunternehmen der Chery Holding Group. Das Unternehmen wurde im März 2010 mit einer ersten Investition von 2,3 Milliarden Yuan gegründet. Die Produktionsfläche in Kaifeng beträgt 460 Hektar. Das Werk verfügt über komplette Produktionsprozesse für Stanzen, Schweißen, Lackieren und Montage. Es werden hauptsächlich diversifizierte Automobilprodukte wie Personenkraftwagen, Kleinstwagen sowie mittelschwere und leichte Nutzfahrzeuge hergestellt. Die Produktion ist vernetzt und voll digitalisiert.
Die jährliche Produktionskapazität beträgt derzeit 300.000 Komplettfahrzeuge. Im vergangenen Jahr überstieg die Gesamtproduktion der Chery Henan 160.000 Einheiten im Wert von 15 Milliarden Yuan. Etwa 30 große Zulieferunternehmen haben sich in Umfeld von Chery angesiedelt.
Deutsche Zulieferer fehlen
Nicht die pure Masse, sondern die schnelle Modernisierung und die durch harten Wettbewerb laufend sinkenden Kosten sind die eigentliche Herausforderung, welche aus den vielen Automobilstandorten Chinas kommt. Der Großraum Shanghai, wo sich die meisten europäischen Zulieferer konzentrieren, ist dabei nicht mehr unbedingt Innovationsführer. Die Produktionswerke in Hunan erwarten, dass die Zulieferungen möglichst in der Region hergestellt werden, um die Lieferketten schnell, flexibel und sicher zu gestalten. Doch Zulieferer aus Deutschland sind in den Industrieparks von Hunan nur wenige zu finden. Wer dort nicht zumindest teilweise produziert, hat wenig Chancen auf große Aufträge,
Links
Zhengzhou soll sich zum größten Produktionsstandort entwickeln; der globale Hauptsitz und das Forschungs- und Entwicklungszentrum von BYD nehmen langsam Gestalt an
SAIC Motor's Zhengzhou base rolls out its 2 millionth vehicle
Foxconn's automotive ambitions: a strategic push into the EV market
Zhengzhou Nissan Frontier Pro PHEV landete auf der Shanghai Auto Show
Yutong Bus Company – die „Geheimnisse“ der asiatischen Erfolgsgeschichte
Deutsch-Chinesischer Automobilkongress Zhengzhou
ASIA MEDIA SERVICE, Dr. Thomas Kiefer
Foto: Yutong Bus
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