1. Juli 2024
Wer überschwemmt die Welt mit Autos? – und kann mit Technologie-Barrieren die Umsteuerung zu einer CO2-freien Weltwirtschaft gelingen?
Diese Fragen beantwortet die Drohung von Zusatzzöllen der EU gegenüber Elektroauto-Exporten aus China nicht. Von einer „Überproduktion“ könnte eher bei der deutschen Industrie die Rede sein. Eine Überproduktion ist das treibende Element der Marktwirtschaft und sorgt für Innovationen und sinkende Preise. Und schnelle technologische Innovationen braucht die Welt, um die Folgen des Klimawandels in den Griff zu bekommen.
Auto-Exportquote Deutschlands liegt bei 76 Prozent
Die chinesische Überproduktion von Elektroautos drängt auf den Weltmarkt, beklagt die EU. Die Weltmärkte würden von "billigeren chinesischen Elektroautos überschwemmt", so Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Doch die Exportquote von Deutschland oder Japan ist weitaus höher. Mit einer Exportquote von 76 Prozent ist Deutschland nach China zweitgrößte Exportnation für Pkws, meldet der VDA. Nirgends in Europa werden mehr Pkws produziert als im Autoland Deutschland: 4,1 Millionen Pkws rollten 2023 hierzulande von den Fertigungsbändern – mehr als beim Zweitplatzierten Spanien (1,9 Mio.) und dem Drittplatzierten, der Tschechischen Republik (1,4 Mio.), zusammengenommen. Die Fahrzeuge werden zu gut drei Viertel außerhalb Deutschlands abgesetzt (76 Prozent). Im vergangenen Jahr liefen 1,27 Millionen Elektro-Pkws (BEV und PHEV) von den deutschen Montagebändern, davon waren allein 955.000 rein elektrisch angetriebene BEV. Der schwache inländische Absatzmarkt führte zu einer massiven Ausweitung von Exporten von E-Autos aus Deutschland. Die deutsche Industrie und Wirtschaftsverbände sprechen sich daher überwiegend gegen die EU-Drohungen aus, da damit unser Exportmodell in Frage gestellt werden könnte.
Die Automobil-Exportquote Chinas lag 2022 lediglich bei 10,6 Prozent. Das Land hat 2023 insgesamt 30,16 Millionen Fahrzeuge produziert und 30,09 Millionen abgesetzt. Die Handelsbilanz war also fast ausgeglichen. Dennoch ist die Angst der EU groß. Nicht nur, da die Exportraten Chinas steil ansteigen, sondern da chinesische Konzerne technologisch ausgereifte Smart Cars günstig anbieten.
„Überkapazität“ ist Treiber der Modernisierung
Jeder Export ist offenbar eine „Überkapazität“. China exportiert 20 Prozent seines BIPs und Deutschland 40 Prozent. Die Nettoexporte lagen in Deutschland bei 5 Prozent des BIPs und bei China lediglich 1,2 Prozent. „Wir sollten deshalb vorsichtig sein, anderen ihre Überkapazitäten vorzuhalten“, so Prof. Horst Löchel, in der „FAZ“. Bei Deutschlands hoher Exportquote wird gerne davon gesprochen, dass diese die Leistungsfähigkeit der Deutschen Industrie zeige. Chinas Exporte werden dagegen kritisiert, da sie durch unfaire Handelspraktiken zustande kämen. Wie die internationalen Handelspraktiken zu werten sind, wurde bislang von den westlichen Ländern und Japan definiert – und dies durchaus nicht zum Wohle der Schwellen- und Entwicklungsländer.
Zweierlei Maßstäbe der EU und Scheinverhandlungen
In China wird daher kritisiert, dass die EU mit zweierlei Maßstäben arbeite. Die von der EU angebotenen Verhandlungen mit China sind nur Scheinverhandlungen. In wesentlichen Punkten setzt die EU in einer Art Kanonenboot-Politik Forderungen, von denen kaum abgewichen wird. Die Untersuchungen gehen bei den chinesischen Autokonzernen ins betriebliche Detail, fordern Daten, die kein Konzern der Welt gerne offenlegt. Eine Lösung wäre jedoch recht einfach: Die EU und China könnten zusammen mit der Industrie und Verbänden einheitliche Kriterien entwickeln, welche nicht nur Probleme lösen, sondern auch allen Beteiligten die Zukunft sichern.
EU lenkt von eigenen Versäumnissen ab
Chinas wirtschaftlicher Aufstieg ist weniger auf unberechtigte Subventionen zurückzuführen. Vielmehr ist er das Ergebnis einer funktionierender Industriepolitik, die auf Ergebnisse ausgerichtet ist. Ein wichtiges Element dabei ist Fehler zu benennen, zu analysieren und einen permanenten Verbesserungsprozess anzuregen. Die EU dagegen hat große Programme und dabei oft wenig Ergebnisse. Die EU-Programme zur Elektromobilität oder zur Umwelttechnik sind dafür traurige Beispiele.
Grüne Zukunftstechniken jetzt erforderlich
Wie sollen die Herausforderungen des Klimawandels gemeistert werden? Wie soll sich Deutschland zum weltweiten Leitmarkt für Elektroautos entwickeln? Weltweit steigt der E-Auto-Anteil an Neuzulassungen von 14 (2022) auf 20 Prozent (2023). In Deutschland allerdings sinkt er von 37 auf 26 Prozent. Die EU-Zölle beschleunigen diese Abkoppelung von den Zukunftstechniken. Die EU blendet aus, das China grüne Zukunftstechnik nicht in erster Linie für den Export produziert, sondern für das eigene Land, für seinen ökologischen Umbau. Und dies nicht nur mit Elektroautos. 64 Prozent der weltweit in Bau befindlichen Solar- und Windenergiekapazitäten befinden sich in China. In erster Linie sind nicht Subventionen, sondern Erfahrungswissen und der praktische Einsatz entscheidend für Chinas Exporterfolge.
Eine starke EU braucht schnelle Ergebnisse des Green Deal
Es scheint, dass die EU von eigenen Versäumnissen ablenken möchte. Dies ist eine weltpolitische Katastrophe, da die Menschheit zur Bewältigung des Klimawandels eigentlich mehr internationale Kooperationen und modernste Technologie bräuchte. Eine politische Katastrophe, da Europas Demokratie eine leistungsfähige EU bräuchte, um unseren Wohlstand zu sichern. Wohlstandsverlust fördert radikale, populistische Tendenzen. Die EU schwächt sich dramatischerweise in einer Zeit, in der eine leistungsstarke EU nötiger denn je ist.
Zwei deutsche Minister in China
Besonders deutlich sind diese Widersprüche in Deutschland zu sehen, das der Gefahr ausgesetzt ist, seine industrielle Basis zu verlieren. „Strafzölle“ würden diesen Prozess beschleunigen, ist sich die deutsche Autobranche einig. Sie soll mit Zöllen geschützt werden, möchte dies jedoch nicht, fühlt sich dadurch in ihrer Existenz gefährdet. Dies dringt auch langsam zur deutschen Politik vor.
So reisten im Juni gleich zwei Deutsche Minister nach China. Doch viel ausgerichtet hat das nicht. Wirtschaftsminister Robert Habeck erklärte, dass seine Gesprächspartner in China nicht nur sagen, sondern wirklich denken, dass die „Strafzölle“ eine neue Stufe des Neo-Kolonialismus seien. Diesen Eindruck dürfte auch die Mehrheit der Weltbevölkerung haben, die in Schwellen- und Entwicklungsländern arbeitet.
Verkehrsminister Wissing wollte Ergebnisse der während der Chinareise des Bundeskanzlers geschlossene Vereinbarungen zum geregelten Datenaustausch liefern, der besonders für Smarte Autos wichtig ist, und wurde dafür harsch kritisiert. Dies zeigt die Schwäche unserer Industriepolitik: keine Kooperationen auf Augenhöhe und möglichst keine Ergebnisse liefern. Diese „EU-slow“, diese „German Leisurely” ist jedoch angesichts der Probleme in der EU und in der Welt eine Katastrophe.
Technologieentwicklung wird behindert
Sie behindert auch die Technologieentwicklung, welche für eine weltweit nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft unerlässlich ist. Die deutschen Autokonzerne produzieren nicht nur in China, sondern exportieren auch umgekehrt viel nach China. Für einige Zukunftstechnologien ist China für die Autobranche auch der beste Forschungs- und Entwicklungsstandort. Diese Technologien aus China können für das weltweite Geschäft genutzt werden. Die Zollschranken gegenüber China könnten nicht nur ein Ende der wirtschaftlichen Globalisierung einleiten. Sie könnten auch die EU und insbesondere Deutschland technologisch zurückwerfen und – was sich bereits abzeichnet – insbesondere für Geschäfte in den Wachstumsmärkten der Schwellenländer unattraktiv machen.
Verlierer ist die globale Umweltpolitik
Die neuen Technologien und neue nachhaltige Produkte braucht jedoch die Welt, um die Herausforderungen durch den Klimawandel meistern zu können. Doch die EU spielt auf Zeit. Zeit, welche die Menschheit nicht mehr hat. Die USA treiben diese globale Entkoppelung noch extremer voran. Dabei wäre mehr internationale Kooperation dringend erforderlich.
Links
VDA. Deutschland ist Europameister bei Autoexporten
TRUST AND TRADE-OFFS: HOW TO MANAGE EUROPE’S GREEN TECHNOLOGY DEPENDENCE ON CHINA
Prof. Horst Löchel zum Handelsstreit: Das Gespenst der chinesischen „Überkapazitäten“
Thomas Kiefer. Bundesminister für Digitales und Verkehr Dr. Volker Wissing in China
Thomas Kiefer. Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck in China
© ASIA MEDIA SERVICE, Dr. Thomas Kiefer
Foto: Georg Hassa
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