2. Januar 2024
Etwa 500.000 verkaufte Elektroautos 2023 in Deutschland. 5,14 Millionen im gleichen Zeitraum in China. Allein BYD verkaufte in den letzten drei Monaten 2023 mehr Elektroautos, als in Deutschland im ganzen Jahr zugelassen wurden. Durch den Wegfall des Umweltzuschusses erwarten Experten 2024 ein Rückgang in Deutschland, wobei in China weiter hohe Steigerungsraten zu erwarten sind. Aber auch bei anderen bevölkerungsreichen Staaten wie Indien oder Brasilien rechnen Analysten mit einer Verdoppelung des E-Auto-Absatzes.
Langfristig angelegter, komplexer Industrieplan
Der Erfolg Chinas beruht auf einem langfristig angelegten, komplexen Industrieplan. Bereits frühzeitig setzte der ehemalige Audi-Manager und spätere Industrieminister Wan Gang auf die Zukunft. Globale automobile Mobilität ist nicht mit Verbrennungsmotoren zu realisieren, ohne die ökologischen Grundlagen unseres Lebens zu zerstören. Und das Auto ist in den dicht besiedelten Ballungsgebieten nur Teil der Elektromobilität, die überwiegend mit Metrosystemen und neuen Eisenbahnverbindungen durchgeführt wird. Eine moderne integrierte Infrastruktur war die Basis für den Erfolg der chinesischen Automobilindustrie.
Größter Weltmarkt und größtes Produktionsland
Produziert wird vor Ort, wobei China etwa 40 Prozent des Absatzmarktes und der Produktion der Welt erreichte, bei der Produktion von Elektroautos fast 60 Prozent. Der Erfolg in China kommt weniger von direkten Subventionen, sondern durch eine umfassende Industriepolitik, welche optimale Produktionsbedingungen in Hightech-Clustern schaffen soll. Chinas Industriepolitik ist dabei kaum mit den zentralstaatlichen Industriepolitiken der vormals sozialistischen osteuropäischen Länder vergleichbar. Sie orientiert sich eher an Industrieplanungen von Japan und Südkoreas und nimmt auch die Erfahrungen westlicher Industriestaaten mit auf. Das ist in den unzähligen Initiativen zu sehen, welche in dem Land mit der dreifachen Bevölkerungszahl der EU die Automobilbranche prägen. Die Provinzen und Städte stehen dabei in knallhartem Wettbewerb. Aus diesen unterschiedlichen Initiativen setzten sich diejenigen Konzepte durch, welche erfolgreich sind. Nur der Erfolg zählt, und nicht großartig angekündigte Pläne. Und es wird über Misserfolge geredet, aus Fehlern gelernt.
Intensiver Wettbewerb treibt Innovationen und senkt Kosten
Mörderisch ist auch der Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Noch vor wenigen Jahren gab es über 500 Elektrofahrzeug-Hersteller in China. Jetzt sind es noch hundert, und die Zahl reduziert sich weiter. Die Industrieplaner holten dazu auch den Elektroauto-Pionier Tesla ins Land, der ohne Beteiligungspartner arbeitet, um Chinas etablierte Unternehmen zu noch schnelleren Innovationen zu zwingen.
Wettbewerb basiert auf Kooperationen
Der Wettbewerb basiert jedoch auf intensiven Kooperationen, welche die Kräfte bündeln sollen. Dies ist beispielsweise an Volkswagen zu sehen, das an mehreren chinesischen Autokonzernen beteiligt ist, die untereinander jedoch im Wettbewerb stehen. Ursprünglich wurde VW in China gezwungen, Joint Ventures mit Shanghai Automotive und mit FAW einzugehen, da diese Konzerne von deutscher Technologie profitieren. Jetzt brauchte VW in China eigentlich für neue Werke kein chinesischen Partner. Doch beteiligte sich Volkswagen dort an JVC und Xpeng sowie an chinesischen Zulieferern, um jetzt von chinesischer Technologie zu profitieren.
Chinesische smarte Elektroautos sind elektronische Produkte
Diese Technologie hat wenig mit traditionellen Automobiltechnologien zu tun. Sie basiert auf Elektronik und KI. Deutlich ist dies bei den „Black Boxes“ zu sehen, in denen die Steuerung verborgen ist. Huawei, das beispielsweise auch mit JAC zusammenarbeitet und in seinen Läden Elektroautos verschiedener Marken mit Huawei-Technologie verkauft, möchte größter Autozulieferer der Welt werden. Auch andere Elektronikriesen wie Xiaomi oder Baidu sind wichtige Zulieferer und bringen Automarken mit chinesischen Herstellern auf den Markt.
Gewaltiges Heer von Entwicklern, einmaliges Erfahrungswissen
Die Elektronikriesen können nicht nur auf Hunderttausende Ingenieure, Informatiker und Techniker zurückgreifen. Sie haben das Erfahrungswissen. Was im Kleinen im Smartphone funktioniert, funktioniert ähnlich im Großen im Elektroauto, um ein etwas vereinfachtes Bild zu zitieren. Diese Technologie wird auch in der Praxis weiterentwickelt. Über die Hälfte aller Elektrofahrzeuge fahren in China und liefern einen gewaltigen Datenschatz. Umfangreiches Erfahrungswissen von selbst fahrenden Autos oder vernetzten Verkehrsleitsystemen fließen in die Fertigung ein.
Deutsche Konzernen können von diesen Ressourcen profitieren
Doch die europäische Automobilindustrie braucht durch diese Entwicklung nicht unterzugehen. Volkswagen, BMW und Daimler arbeiten mit chinesischen Partnern nicht nur intensiv bei der Entwicklung neuer Fahrzeuge zusammen, sondern bauen in den chinesischen Hightech-Clustern große Forschungszentren auf. Viele deutsche Zulieferer scheinen jedoch überfordert. So sind wenige deutsche Zulieferer an VWs neuem Elektroauto-Standorten in Hubei, Foshan und Changsha vertreten. Dort entstehen neue Produktionsstrukturen, in denen Zulieferer quasi als Teil der Fabrik direkt in die flexiblen Produktionsprozesse einbezogen sind. Nur mit einer Produktion unmittelbar vor Ort sind daher größere Geschäfte zu machen.
Neue Fabriken sind digital und KI-gesteuert
Die neuen Automobilfabriken in China sind digital, arbeiten mit KI hochflexibel. Die Technologie der chinesischen Elektronikgiganten macht dies möglich. Auch hier gilt vereinfacht: was im kleinen Smartphone funktioniert, funktioniert im Elektroauto und kann auch weitgehend die Fabrik steuern, die Produktion flexibel laufend optimieren.
Chinesisches Produktionskonzept setzt sich weltweit durch
Dieser Erfahrungsvorsprung bei der Entwicklung von smarten Elektroautos und der digitalen, smarten Produktion könnte auch globale Auswirkungen haben. Elon Musk, CEO von Tesla, hat bereits chinesische Zulieferer eingeladen, bei seiner geplanten Giga-Factory in Mexiko mitzuarbeiten. Neue attraktive Elektroautos kommen beispielsweise auch aus Vietnam oder der Türkei. In vielen wachstumsstarken Schwellenländern ist China mit Elektroautos Technologieführer und baut dort bereits Produktionswerke.
EU blockiert und hängt sich von Zukunftstechnik ab
Deutschland und die EU versuchen, sich dieser Entwicklung eher zu widersetzen. Dies war deutlich auf der vergangenen IAA in München zu sehen, wo die großen chinesischen Autokonzerne zusammen mit VW, BMW und Mercedes über Konzepte zur Entwicklung einer nachhaltigen Produktion berieten. Die Politik ging eher auf Konfrontation. Die Industrie setzte auf den Ausbau der Kooperationen. Nur so sind die Zukunftsprobleme zu lösen. Nur so lässt sich längerfristig Geld verdienen, sich unser Wohlstand sichern.
Was sich in kurzer Zeit in China entwickelt, ist sehr komplex und oft mit herkömmlichen westlichen Denkmustern schwer zu verstehen. Die Materialsammlung soll dazu nicht nur einen Überblick geben. Wichtig ist es, daraus zu erkennen, wo die Chancen der deutschen Autobranche in diesem globalen Transformationsprozess liegen.
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Datenbank Autobranche China 2023
Themenschwerunkt China auf der IAA München
mit World New Energy Vehicle Congress (WNEVC)
(C) ASIA MEDIA SERVICE, Dr. Thomas Kiefer
Foto: ROBOCAR, Auto Guangzhou 2023 © Thomas Kiefer
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